Stand: 16.05.2025 17:56 Uhr

Auch Aussagen von AfD-Politikern aus Schleswig-Holstein finden sich in dem Gutachten des Bundesverfassungsschutzes und stützen die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“.  

von Natalie Beck

Sowohl der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein als auch einzelne zugehörige Parteimitglieder und die inzwischen aufgelöste „Junge Alternative Schleswig-Holstein“ tauchen auf den mehr als 1.100 Seiten des Verfassungsschutz-Dokuments auf.

Eine Person fotografiert mit ihrem Smartphone die Kamera. © Jannis Große Foto: Jannis Große


Die AfD Schleswig-Holstein und ihre Mitglieder werden diverse Male im Verfassungsschutzgutachten erwähnt.

Mit Aussagen, die laut Gutachten gegen das Grundgesetz und die Menschenwürde verstoßen. Auch sie dienen damit als Beleg für die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremistisch. 

Prominent: Bundestagsabgeordneter Gereon Bollmann 

Mehrfach erwähnt wird Gereon Bollmann, Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein und ehemaliger Präsident des Bundesschiedsgerichts der AfD. Auf seiner Webseite und in mehreren Facebook-Beiträgen soll er unter anderem behaupten, Deutschland werde „heimlich, still und leise“ durch internationale Programme „entdeutscht“. Damit teilt er laut Gutachten eine verfassungsfeindliche, rechtsextremistische Verschwörungstheorie.  

Ein Portrait von dem Politiker Gereon Bollmann von der AfD. © Gereon Bollmann / AfD


Der Bundestagsabgeordnete Gereon Bollmann aus den Reihen der AfD SH wird besonders oft erwähnt.

Bollmann weist den Vorwurf des Rechtsextremismus zurück. Seine Aussagen, so schreibt er in einer schriftlichen Stellungnahme an den NDR, seien vor allem als Kritik an der Migrationspolitik zu verstehen: „Meine Kritik an der Veränderung der Wohnbevölkerung hin zu einer ansteigenden Anzahl an Ausländern, insbesondere aus den muslimischen Ländern, hat ihren Hintergrund in unserer Werteordnung“, schreibt Bollmann. Das entspricht dem Bild, das auch das Gutachten immer wieder bei der AfD aufzeigt: Migrantinnen und Migranten werden pauschal als Gefahr für die deutsche Gesellschaft dargestellt. 

Junge Alternative SH: Rechtsextremer Nachwuchs 

Auch bei der Einschätzung der bereits im April 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuften und mittlerweile aufgelösten Jugendorganisation der AfD „Junge Alternative“ (JA) bezieht sich das Gutachten auf Mitglieder aus Schleswig-Holstein. So taucht etwa ein AfD-Mitglied aus Lübeck, das zur „Jungen Alternative Schleswig-Holstein“ gehörte, mehrfach im Gutachten auf. Seine Posts auf Twitter werden vom Bundesverfassungsschutz herangezogen, um fremden- und minderheitenfeindliche sowie antisemitische Grundstrukturen der Partei zu belegen. 

Kevin Dorow (Beisitzer im Landesvorsitz der AFD SH). © NDR Foto: Natalie Beck


Kevin Dorow hat ein Treffen für neurechte Publizisten und rechtsextreme Vereine organisiert.

Ganze zwei Seiten widmet das Gutachten auch dem sogenannten „Tag des Vorfelds“, das Kevin Dorow, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der JA Schleswig-Holstein und heute Beisitzer im AfD-Landesvorstand, im Sommer 2024 organisierte. Bei dem Treffen kamen in Neumünster diverse neurechte Publizisten, rechtsextreme Vereine und AfD-Mitglieder zusammen.  

Viele Einzeläußerungen ergeben das Gesamtbild 

Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersuchte für das Gutachten Äußerungen von 353 Personen aus dem AfD-Umfeld. Es hat darüber hinaus öffentliche Äußerungen und Social-Media-Posts bewertet, bezieht sich aber auch auf Parteiprogramme, Grundsatzpapiere und Websites der Partei und ihrer Unterorganisationen.  

Bei der Bewertung des Gesamtbildes steht ein Begriff im Mittelpunkt: das „ethnisch-abstammungsmäßige“ Volksverständnis der AfD. Soll bedeuten: Die Partei unterscheide zwischen „Passdeutschen“ und „ethnischen“ Deutschen. Diese Vorstellung verstoße gegen die Menschenwürde und sei „nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, so die Einschätzung der Sicherheitsbehörde.  

AfD-Landesparteichef Kurt Kleinschmidt dementiert 

Kurt Kleinschmidt, Vorsitzender des AfD Landesverbandes Schleswig-Holstein © Georg Wendt/dpa Foto: Georg Wendt


Kurt Kleinschmidt: „Uns als Rechtsextremisten und Demokratiefeinde abstempeln zu wollen, ist absurd.“

Auf schriftliche Anfrage des NDR Schleswig-Holstein antwortet Landesparteichef Kurt Kleinschmidt, dass es für ihn keine Rolle spiele, wie oft der AfD-Landesverband Schleswig-Holstein in dem Gutachten erwähnt sei. Von einem, wie es im Gutachten heißt „ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnis“ könne keine Rede sein. Laut Kleinschmidt gehörten für die AfD Schleswig-Holstein „zum deutschen Volk alle Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft“. Entscheidend sei seiner Ansicht nach allerdings „eine deutsche Identität“, so Kleinschmidt. 

Schärferer Blick auf AfD Schleswig-Holstein durch Verfassungsschutz? 

Die Bundes-AfD hat umgehend gegen die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch geklagt. Der Bundesverfassungsschutz gab daraufhin eine sogenannte Stillhaltezusage ab, mit der er sich verpflichtet, die Einstufung bis zu einer Entscheidung im Eilverfahren auszusetzen. Ob die Erkenntnisse des Gutachtens dazu führen, dass auch der Verfassungsschutz Schleswig-Holstein die Landespartei künftig schärfer beobachtet oder anders einstuft, kann das Innenministerium auf Anfrage von NDR SH aus formalen Gründen nicht beantworten. Die Begründung: Bislang sei das in den Medien veröffentlichte Gutachten offiziell noch Verschlusssache. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord |
Nachrichten für Schleswig-Holstein |
16.05.2025 | 06:00 Uhr

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