Der Sturz des Assad-Regimes könnte nun Folgen für Asylverfahren in Deutschland haben. Zunächst hatte das BAMF Asylverfahren von Syrern ausgesetzt. Doch ein weiterer Aufschub sei nicht mehr gerechtfertigt, entschied nun das VG Karlsruhe.

Da nach dem Sturz des Assad-Regimes die Lage „außerordentlich dynamisch, unübersichtlich und schwer zu bewerten“ war, hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Entscheidung über Asylanträge aufgeschoben. Doch weil zur Überzeugung des Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe jedenfalls mittlerweile in Syrien vorübergehend keine ungewisse Lage besteht, darf das BAMF die Entscheidung über entsprechende Asylanträge nicht länger aufschieben. Das entschied das VG im Fall eines syrischen Staatsangehörigen (Besch. v. 23.05.2025, Az. A 8 K 5682/24).

Der Mann hatte bereits im Oktober 2023 einen Asylantrag gestellt. Eine Entscheidung des BAMF erging zunächst nicht, weshalb der Mann knapp ein Jahr später eine Verpflichtungsklage erhob, um eine entsprechende Entscheidung zu erwirken. Mit dieser Klage war er nunmehr beim VG Karlsruhe erfolgreich. Die 8. Kammer des VG Karlsruhe entschied, dass das BAMF zu einem weiteren Aufschub nicht mehr berechtigt sei, da die Voraussetzungen von § 24 Abs. 5 Asylgesetz (AsylG) nicht mehr gegeben seien – es bestehe keine vorübergehend ungewisse Lage mehr in Syrien.

Das BAMF hatte zunächst nicht über den Asylantrag entschieden, weil aus Behördensicht in Syrien im Zuge des langjährigen Bürgerkrieges bzw. des Regierungswechsel eine solche vorübergehend ungewisse Lage bestand. Daher wurden Entscheidungen über syrische Asylbegehren aufgeschoben. Die Kammer stellte nun klar, dass nur die Notwendigkeit besonderer Aufklärung zur vorübergehenden Aussetzung von Entscheidungen nach § 24 Abs. 5 AsylG führen dürfe. Denn der Zweck des Zuwartens bestehe darin, weitere Ermittlungen und Aufklärungen zu ermöglichen, so das VG. Rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Beurteilung dürfen kein Grund für Verzögerungen sein.

VG stützt sich auch auf BAMF-Lagebild

Davon ausgehend kam die Kammer zum Ergebnis, dass kein Verzögerungsgrund mehr bestehe. Anfang Dezember 2024 endete die Herrschaft des Assad-Regimes. Seitdem sei die von Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) geführte Regierung stabil an der Macht und übe die Kontrolle über weite Teile des Landes aus. 

Es gebe etliche Erkenntnismittel zu dieser veränderten Lage in Syrien, unter anderem habe das BAMF selbst mittlerweile einen Länderreport erstellt („Syrien nach Assad – Gegenwärtige Entwicklungen“), der auf alle für die Prüfung des Flüchtlingsschutzes, des subsidiären Schutzes sowie des Vorliegens von Abschiebungsverboten relevanten Fragen unter Auswertung verschiedener Erkenntnismittel eingehe. Zu berücksichtigen sei auch die bereits ergangene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für die Gewährung von internationalem Schutz an arabische Syrer sunnitischen Glaubens. Zudem stellt die Kammer obergerichtliche Rechtsprechung zur aktuellen Lage in Syrien bezüglich der Frage des Flüchtlingsschutzes für Angehörige der kurdischen Volksgruppe ab – das OVG NRW hatte im Sommer 2024 erstmals entschieden, dass für Syrer kein pauschaler Schutzstatus mehr bestehe.

ProAsyl warnt: „Überall im Land gibt es noch Waffen“

Im Ergebnis verpflichtet das VG Karlsruhe das BAMF gleichwohl nur zum „Ob“ der Entscheidung, nicht aber zu einem konkreten Inhalt derselben. Möglich ist also auch, dass dem Mann ein asylrechtlicher Schutz in Deutschland zugesprochen wird. Das BAMF muss ihn aber zunächst noch anhören.

Die Folgen der Entscheidung über den Einzelfall hinaus bleiben abzuwarten. Hinsichtlich des klaren Appells des Gerichts ans BAMF, die Asylverfahren nun weiter zu betreiben, weist Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von ProAsyl, gegenüber LTO darauf hin, dass das BAMF schon kürzlich wieder Anhörungen syrischer Asylantragsteller durchgeführt hat.

Die inhaltliche Wertung, in Syrien herrschten wieder stabile Verhältnisse, sieht er kritisch. Er warnt davor, nur spezifisch verfolgten Minderheiten die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. „Überall im Land gibt es noch Waffenlager. Solange die Regierung in Damaskus diese Waffen nicht einsammelt, kann es immer wieder zu Gräueltaten von Milizen gegenüber bestimmten Gruppen kommen“, sagt Alaows, der selbst aus Syrien stammt und seit dem Sturz von Assad dreimal dort gewesen ist.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Karlsruhe verpflichtet BAMF zu Entscheidung:

. In: Legal Tribune Online,
27.05.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57288 (abgerufen am:
27.05.2025
)

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