Eine juristische Niederlage lasse sich „nicht vollkommen ausschließen“, hat Jürgen Elsässer auf X verkündet. Deshalb rief er seine Anhänger vergangene Woche dazu auf, noch schnell Tatsachen zu schaffen und möglichst viele Silbermedaillen zu ordern, die sein Verlag zum Verkauf anbietet.
Zum Beispiel den „Höcke-Taler“ mit dem Konterfei von Thüringens AfD-Chef (Werbeslogan: „patriotisch und wertbeständig“). Im Verbotsfall, warnt „Compact“, würden alle verbliebenen Höcke-Taler vom Staat konfisziert und „vermutlich eingeschmolzen“.
Am Dienstag beginnt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig der Prozess, der über die Zukunft des rechtsextremen Magazins „Compact“ entscheiden wird. Im Juli 2024 hatte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein Verbot erlassen, Ermittler überraschten Chefredakteur Jürgen Elsässer morgens im Bademantel, als sie Beweismittel und Vermögen sicherstellen wollten.
Doch in einem Eilverfahren erreichte die Compact-Magazin GmbH, dass ihr Magazin unter Auflagen zunächst weiter erscheinen durfte – bis zur Entscheidung im nun anstehenden Hauptsacheverfahren.
Laut Verfassungsschutz verbreitet „Compact“ regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte. Hauptmerkmal sei „die Agitation gegen die parlamentarische Demokratie im Allgemeinen und gegen die Bundesregierung im Besonderen.“
Ist ein Verbot verhältnismäßig?
Nancy Faeser verbot die Compact-Magazin GmbH nach Vereinsrecht. Dass die Anwendung dieses Rechts grundsätzlich legitim ist, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Rahmen des Eilverfahrens festgestellt.
Allerdings äußerten die Richter Zweifel, ob sich „Compact“ als Ganzes tatsächlich – wie vom Innenministerium als Verbotsgrund angeführt – gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Zwar sei eine „kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen“ in einzelnen Beiträgen erkennbar.
Doch müsse die Frage geklärt werden, ob diese Haltung auch insgesamt für die Ausrichtung des Magazins „prägend“ sei. Schließlich enthalte das Magazin ja auch Beiträge, die nicht zu beanstanden seien.
„Compact“ argumentiert, es verletze überhaupt keine Gesetze und könnte daher nach rechtsstaatlichen Kriterien nicht verboten werden, vielmehr handle es sich um einen schweren Angriff auf die Pressefreiheit und den Versuch der Herrschenden, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Vertreter der Querfront-Strategie
Das Magazin existiert seit 2010 und entwickelte sich schnell zu einem zentralen Sprachrohr der rechtsextremen Szene in Deutschland.
Gleichzeitig versuchte Chefredakteur Jürgen Elsässer immer wieder, mit seinen Inhalten auch in Milieus vorzudringen, die sich selbst nicht als rechtsextrem begreifen. So trat er etwa 2014 bei Demonstrationen der selbsternannten, von Verschwörungsgläubigen dominierten „Neuen Friedensbewegung“ auf und warnte vor einem Dritten Weltkrieg.
Sechs Jahre später engagierte er sich in der Querdenken-Bewegung. Trotz Warnungen von Experten blieb Elsässer ein gern gesehener Gast bei Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen. Nach eigenen Angaben konnte er auf diese Weise zahlreiche neue Leser für sein Magazin gewinnen.
Jürgen Elsässer gilt als Verfechter der sogenannten Querfront-Strategie. Demnach sollen Rechtsextreme mit anderen Lagern, die der Bundesrepublik ebenfalls ablehnend gegenüberstehen, kooperieren, um gemeinsam mehr Schlagkraft zu entwickeln.
Dazu passt, dass sich Elsässer früher selbst als Linker verstand. Er schrieb für mehrere linke Zeitungen, eckte dort aber an. Bei der Zeitschrift „Konkret“ wurde er herausgeschmissen, das „Neue Deutschland“ kündigte ihm.
Zuletzt ließ sich die Querfront-Strategie bei einer Demonstration in Berlin beobachten: Unter dem Motto „Frieden, Freiheit, Volksabstimmung“ versammelten sich Verschwörungsideologen, Impfgegner und AfD-Anhänger auf der Straße des 17. Juni.
Der „Compact“-Chefredakteur stand auf der Bühne und forderte: „Wir müssen die da oben davonjagen.“ Allerdings blieb die Veranstaltung weit hinter den Erwartungen zurück. Statt der erhofften 10.000 Teilnehmer kamen lediglich 850.
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Wie viele andere Querfront-Aktivisten fällt Elsässer immer wieder durch russlandfreundliche Positionen auf. Bei der Demonstration in Berlin beschimpfte er Bundeskanzler Friedrich Merz und Verteidigungsminister Boris Pistorius als „Kriegsverbrecher“, weil diese einen Angriffskrieg gegen Russland vorbereiteten.
Bei einer Prozessniederlage in Leipzig könnte Compact noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, dieser Schritt hätte allerdings keine aufschiebende Wirkung mehr. Elsässer schreibt seinen Anhängern: „Fällt das Urteil zu unseren Ungunsten aus, ist ,Compact’ tot.“