Hinzu kommt: Fünf Monate vor dem Weltklimagipfel will das Gastgeberland Brasilien mitten im Amazonasgebiet seine Gas- und Ölförderung massiv ausweiten und neue Förderflächen mit einer Gesamtgröße von rund 145.000 Quadratkilometer erschließen. Weltweite Kriege und Konflikte lenken zusätzlich von notwendigen Anstrengungen zur Bekämpfung der Klimakrise ab. Kurzum, die Vorzeichen für den internationalen Klimaschutz könnten schlechter kaum sein. Umso mehr muss jede Gelegenheit für Verhandlungen genutzt werden – so auch jetzt in Bonn.

Gerade weil die USA sich vom Klimaschutz abwenden und China als weltweit größter Emittent von klimaschädlichem CO2 seiner Verantwortung bislang nicht ausreichend nachkommt, kommt es umso mehr auf ein ambitioniertes Vorgehen Europas und auch Deutschlands an. Das bedeutet nicht, dass Europa für die klimapolitischen Versäumnisse in anderen Teilen der Welt alleine aufkommen muss, geschweige denn könnte. Der Kampf gegen die globale Erderwärmung ist und bleibt eine internationale Aufgabe, um nicht zu sagen eine Menschheitsaufgabe. Doch es geht darum, das Thema auf der internationalen Agenda zu halten und weiterhin auf ambitionierte Klimapolitik zu dringen.

Die EU könnte ganz konkrete Schritte gehen, indem sie sich auf dem Weg hin zur Klimaneutralität auf das Etappenziel bis 2040 von 90 Prozent weniger Emissionen gegenüber 1990 verständigt. In ihrem Koalitionsvertrag unterstützen Union und SPD dieses europäische Zwischenziel grundsätzlich. Doch Experten befürchten, dass es durch Schlupflöcher verwässert wird, indem Klimaschutz-Projekte in außereuropäische Länder verlagert und mit Klimazertifikaten international gehandelt wird. Europa und auch Deutschland sollten stattdessen daran arbeiten, selbst gesteckte Ziele auch selbst einzuhalten – und konkrete Schritte dazu einleiten. Es wäre ein starkes, glaubwürdiges Signal für mehr Klimaschutz, dass es gerade jetzt dringend braucht.