Aus Sicht des VG München überwiegt hier das Mandantengeheimnis. Foto: picture alliance/dpa | Jan Woitas
Haben Journalisten im Ermittlungsverfahren einen Anspruch, die Namen der Verteidiger vom Gericht zu erfahren? Das OVG Hamburg meinte kürzlich: ja. Völlig anders sieht man das nun aber in München. Das VG argumentiert mit dem Mandatsgeheimnis der BRAO.
Ein Journalist hat keinen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegen die Staatsanwaltschaft, um so den Namen eines Strafverteidigers bereits in einem laufenden Ermittlungsverfahren zu erfahren. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) München entschieden (Beschl. v. 18.06.2025, Az. M 10 E 25.3465), der Entscheidungstext liegt LTO vor.
Mitte Mai kam in München zur Festnahme eines Tatverdächtigen in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts. Die Polizei informierte die Öffentlichkeit hierüber in einer Pressemitteilung sowie einer Pressekonferenz. Mehrere Medien berichteten über den Fall.
Der antragstellende Journalist bzw. dessen Kollegen einer überregionalen Zeitung hatten an dieser Pressekonferenz nicht teilgenommen. Kurz darauf wollte er von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft wissen, wie der Anwalt des Tatverdächtigen heiße. Nach einigen Tagen erhielt er die Antwort, dass seitens der Staatsanwaltschaft eine solche Auskunft in laufenden Ermittlungsverfahren nicht erfolge. Die Entscheidung, welchen Verteidiger sich ein Beschuldigter nehme, sei Teil des Mandantengeheimnisses, das nicht durch Justizpressesprecher gelüftet werden dürfe.
Eine weitere Anfrage, dieses Mal mit Fristsetzung gestellt durch den Justiziar der Zeitung, blieb unbeantwortet. Daher wurde sodann der verwaltungsgerichtliche Weg beschritten und gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Auskunftserteilung beantragt.
Münchener VG entscheidet gänzlich anders als Hamburger OVG
Die Entscheidung steht im Kontext zu einem kürzlich ergangenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Hamburg (Az. 3 Bs 20/25), sowie einer vorangegangenen Entscheidung des VG Hamburg aus Februar, Az. 17 E 666/25. Die Hamburger Richter hatten in einem ähnlich gelagerten Fall nämlich genau anders entschieden: die Presse habe grundsätzlich einen Anspruch darauf, von der Staatsanwaltschaft die Namen von Strafverteidigern in Ermittlungsverfahren zu bekommen. Hierauf hatte sich auch im Münchener Fall der antragsstellende Journalist gestützt, die 10. Kammer des VG München setzte sich dementsprechend mit dem Beschluss der Hamburger Kollegen auseinander.
Doch das VG München sah hier das Mandantengeheimnis als entscheidenden Aspekt an. Dieser Punkt kommt in dem Beschluss des OVG Hamburg wie des VG Hamburg indes an keiner Stelle vor.
Konkret könne der Journalist seinen Anspruch nicht auf Art. 4 Abs. 1 S. 1 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) stützen. Hiernach hat die Presse gegenüber Behörden zwar grundsätzlich ein Recht auf Auskunft. Die Auskunft darf gemäß Abs. 2 S. 2 nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht – eine solche erblickte die Kammer hier in § 43a Abs. 2 S. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Die berufsrechtliche Regelung sieht vor, dass ein Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Diese Verschwiegenheitspflicht liege „auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege, für die eine anwaltliche Verschwiegenheit unerlässlich ist“, so das VG. Unbeachtlich sei insoweit auch, ob – wie hier – ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Strafprozessordnung (StPO) vorliegt.
Mandantengeheimnis überwiegt Pressefreiheit
Wenngleich die Kammer der Pressefreiheit im Rahmen der Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren ein besonderes Gewicht beimisst, überwiege hier dennoch das Mandantengeheimnis. Solange der Beschuldigte auch gerade keine Selbstöffnung gegenüber der Presse wünsche, sei das „Verbleiben in der Anonymität“ des Verteidigers ebenso vom Mandatsgeheimnis verfassungsrechtlich geschützt. „Diese damit einhergehende anwaltliche Verschwiegenheitspflicht des § 43a Abs. 2 S. 1 BRAO würde umgangen, wenn die begehrten Informationen ohne Weiteres auf dem Umweg über eine Presseauskunft der ermittelnden Staatsanwaltschaft erlangt werden könnten“, heißt es dazu in dem Beschluss.
VG und OVG Hamburg hatten kein Recht auf „Ungestörtsein“ des Verteidigers erkennen können.
Für das Münchener VG besteht auch kein entsprechender Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bzw. Art. 10 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Presse müsse sich folglich bis zu einem etwaigen ersten Hauptverhandlungstermin gedulden – denn dieser ist gemäß § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) anders als das Ermittlungsverfahren grundsätzlich öffentlich. Bis dahin müsste sie sich mit den seitens Polizei und Staatsanwaltschaft veröffentlichten Informationen begnügen, meint die Kammer.
Zitiervorschlag
VG München zu Auskunftsanspruch der Presse:
. In: Legal Tribune Online,
25.06.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57497 (abgerufen am:
25.06.2025
)
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