Hat sie die Entführung ihrer Kinder in Auftrag gegeben? In Hamburg hat der Prozess gegen Steak-House-Erbin Christina und weitere Angeklagte begonnen. Die Verteidigung macht der Staatsanwaltschaft viele Vorwürfe.

Es geht um eine Familie, um Kinder, die zwischen den Fronten in einem langjährigen Sorgerechtsstreit stehen, und vor allem um die Silvesternacht 2023/24, die letztlich zum Prozessauftakt am Freitag führte. Gegen die Mutter, mutmaßliche Drahtzieherin und Block-House-Erbin Christina Block, ihren Lebensgefährten Ex-Sportschau-Moderator Gerhard Delling sowie fünf weitere Angeklagte hat die Hauptverhandlung vor der zuständigen Jugendschutzkammer am Landgericht (LG) Hamburg begonnen (Az.: 632 KLs 10/25).

Es ist ein Familiendrama, das viele Fragen aufwirft, vor allem nach der Täterschaft. Wer war verantwortlich? Wer war beteiligt, als in der Silvesternacht 2023/24 die damals 13-jährige Tochter von Christina Block gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder mutmaßlich gewaltsam von Dänemark nach Deutschland gebracht wurde?

Für den Staatsanwalt ist die Sache klar. Laut Anklageschrift liegt eine Verurteilung Blocks wegen schwerer Entziehung von Minderjährigen (§ 235 Abs.1, Abs.4 Nr.1 und Nr.2 Strafgesetzbuch (StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223 Abs.1, 224 Abs.1 Nr.4 StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 Abs.1 StGB) und schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 Nr.1, Abs.2 StGB) auf der Hand.

Wer kann wem ein Kind entziehen?

Doch bereits am ersten Hauptverhandlungstag wurde deutlich: Bevor es um die Frage der Täterschaft geht, muss die Frage der Strafbarkeit geklärt werden. Für die Verteidiger der insgesamt sieben Angeklagten ist klar, dass für eine Strafbarkeit wegen der schweren Entziehung von Minderjährigen die Tatbestandsmerkmale schon gar nicht erfüllt sind.

Die Entziehung Minderjähriger setzt gemäß § 235 Abs. 1 StGB voraus, dass eine Person unter achtzehn Jahren beispielsweise mit Gewalt einem Elternteil entzogen oder vorenthalten wird. Hier spielt laut den Anwälten der jahrelange Sorgerechtsstreit des einstigen Ehepaars Block und Stephan Hensel ins Spiel. Nach der Scheidung 2018 lebten die Kinder erst bei ihrer Mutter, bevor es zum Streit über das Sorgerecht kam. Immer wieder betonten die Verteidiger am Freitag, dass das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Block im Herbst 2021 das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig zugesprochen und ihr dieses in der Silvesternacht noch zugestanden habe.

Das sei der juristische Knackpunkt: Trotz der familienrechtlichen Entscheidung habe Hensel die Kinder in Dänemark behalten und nicht an Block herausgegeben. Eine Mutter, der das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht, könne ihre eigenen Kinder nicht im Sinne des § 235 StGB „entziehen“, so die Verteidiger.

Stimmte das LG Hamburg dieser rechtlichen Bewertung zu, hätte dies nicht nur für Block, sondern auch für die weiteren Angeklagten wichtige Konsequenzen: Vier der Angeklagten, darunter auch Delling, sind wegen Beihilfe zur Kindesentziehung angeklagt. Die ist gemäß § 26 StGB eine Form der Teilnahme und setzt eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat eines anderen im Sinne des § 11 Abs.1 Nr. 5 StGB voraus. Fehlt diese Haupttat, etwa weil – wie die Verteidigung argumentiert – Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind, kommt es mangels der sogenannten Akzessorietät der Teilnahme nicht zu einer Strafbarkeit.

Die Verteidigung macht der Staatsanwaltschaft schwere Vorwürfe

In den langen Eingangserklärungen fokussieren sich die Verteidiger nicht allein auf materiell-rechtliche Fragen. Sie machen der Staatsanwaltschaft auch prozessuale Vorwürfe. Blocks Verteidiger Otmar Cury spricht von nicht gewährter Akteneinsicht (§ 147 StPO) und von nicht gewährtem rechtlichem Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) sowie von 18 Schriftsätzen, die nie Eingang in die Verfahrensakte gefunden hätten.

Blocks zweiter Verteidiger, Ingo Bott, machte den Gerichtssaal zu seiner Bühne. Immer wieder richtete er seinen Blick auch an die Presse und das übrige Publikum, die verteilt auf 17 Bänken hinter einer Plexiglasscheibe ihren Platz eingenommen hatten. Mit den Worten „Frau Block ist für uns alle gläsern“ richtete er sich direkt an die Zuschauer. Er betonte die „schwache Beweislage“, Block sei unschuldig.

Auch Dellings Verteidiger, David Rieks, betonte die Unschuld seines Mandanten und kritisierte die Berichterstattung. Der Ex-Moderator stehe zu Unrecht im Rampenlicht. Delling sei „aufgrund seiner großen Prominenz medial zu einem der Gesichter des Verfahrens geworden“, sagte sein Verteidiger. Doch seine mediale Rolle entspreche nicht seiner Rolle in dem Verfahren. Auch seinem Mandanten sei nicht in ausreichender Weise rechtliches Gehör gewährt worden.

Seine Vorwürfe: Über zentrale Ermittlungsergebnisse sei er, Rieks, als Verteidiger nicht oder verspätet informiert worden, dies verletze die sogenannte Waffengleichheit. Er wirft der Staatsanwaltschaft auch vor, die Anklage übereilt erhoben zu haben. Zwar gebiete der Beschleunigungsgrundsatz ein zügiges Verfahren, insbesondere vor dem Hintergrund, dass einer der sieben Angeklagten seit über sechs Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Jedoch dürfe dieser Umstand und das enorme mediale Interesse nicht zu übereilten Entscheidungen der Staatsanwaltschaft führen. Die Staatsanwaltschaft sei voreingenommen, eine umfassende Beweisaufklärung dürfe nicht auf der Strecke bleiben.

Promi-Faktor sorgt für Andrang

Jeder kennt Block und Delling, das Medieninteresse am Freitag war entsprechend groß. Bereits Stunden vor Prozessbeginn warteten erste Journalisten vor dem Landgericht, auch Blocks Ex-Mann Hensel war als Nebenkläger anwesend. Er war in der Silvesternacht dabei, als ihm die Kinder mutmaßlich entzogen wurden.

Ursprünglich sollten beide Kinder als Nebenkläger auftreten. Doch das Hanseatische OLG hatte spät am Donnerstagabend (wegen der Eilbedürftigkeit zunächst ohne Angabe von Gründen) entschieden, dass die Zulassung des Sohnes zur Nebenklage und die Bestellung eines Rechtsbeistandes für ihn nicht zulässig sei, sagte eine Gerichtssprecherin am Freitag.

Wie es weitergeht

Bis es zu einem Urteil kommt, wird es noch dauern. Insgesamt sind 36 weitere Hauptverhandlungstage bis Ende des Jahres anberaumt. Für den nächsten Hauptverhandlungstag haben Block, Delling und zwei weitere Angeklagte eine Einlassung angekündigt.

Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Davor muss eine Beweisaufnahme (§§ 244 ff. StPO) durchgeführt werden – und hier dürfte der nächste Hebel der Verteidiger sein. Wie Block-Anwalt Cury bereits ankündigte, sei mit zahlreichen Beweismittelanträgen zu rechnen.

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Prozessauftakt in Hamburg:

. In: Legal Tribune Online,
11.07.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57654 (abgerufen am:
11.07.2025
)

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