„Gaaaaaaaanz wichtig: Nichts unter dem Rock anziehen“ – das war nur eine der Whatsapp-Nachrichten eines Arbeitgebers an seine Mitarbeiterin. Die Frau machte das schließlich krank, nun sprach ihr das LAG eine hohe Abfindung zu.
Für den Geschäftsführer waren es bloß ein „äußerst gutes und familiäres Betriebsklima“, „spaßige Bemerkungen“ und ein „vertrauter Umgang untereinander“. Für die Arbeitnehmerin dagegen Vorgänge, die zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führten. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln löste das Arbeitsverhältnis zwischen den beiden Personen daher auf und sprach der Frau eine Abfindung in Höhe von fast 70.000 Euro zu – das sind zwei Gehälter pro Beschäftigungsjahr (Urt. v. 09.07.2025, Az. 4 SLa 97/25). Arbeitsrechtlich üblich ist ein halbes Monatsgehalt pro Jahr.
Rund viereinhalb Jahre war die 32-Jährige bei ihrem Arbeitgeber tätig, ihr Gehalt stieg in der Zeit von anfangs 4.500 Euro auf zuletzt 7744,75 Euro brutto monatlich. Doch dann stand ein Termin mit Kunden an, „Möchtegern-Bankern“, wie es der Geschäftsführer an die später klagende Mitarbeiterin per Whatsapp schrieb. Wenn sie dabei wäre, wäre es gut, wenn – „du einfach mal so ein bisschen rockmäßig was kurzes und Dekolteemäßig irgendwie was anziehen kannst, Haare machen, natürlich mögen die rote Fingernägel hab ich gehört, High-Heels und rote Fußnägel…“. Das käme von denen, nicht von ihm selbst, er müsse „dann natürlich die Kopfschmerzen aushalten in der Zeit wenn du da bist“. Weiter schrieb er: „Gasaaaaaaanz wichtig. Nichts unter dem Rock anziehen“ – Wortlaut und Schreibweisen stammen aus dem Urteil.
Die Frau reagierte mit Lachsmileys und antwortete „nene“ – und sollte dann plötzlich doch nicht mehr am Meeting teilnehmen. Ihr nachgeschobenes „ja in Ordnung“ beruhigte die Situation ebenso wenig wie auf schriftlich geforderte Freundlichkeit ihr formuliertes: „ja, mein Bester“. Der Chef schrieb darauf: „Du müsstest auf die Knie fallen und Danke sagen. Was bist bloß für ein Mensch. Hast mich wie immer in die Irre geführt, Nicht in der Lage was nettes zu schreiben, geschweige denn ein Kompliment. Weiß du weiß, ab jetzt Scheiß ich drauf. Du bleibst diese und nächste Woche von zu Hause. Urlaub. Will dich erstmal nicht sehen. Du kannst einfach nicht Mensch sein. Viele Grüße dein Bester“.
In darauffolgenden Nachrichten hieß es, nach dem Urlaub solle sie Homeoffice machen, er wolle sie nicht mehr sehen, es folgten Beleidigungen und die Aufforderung, Geschenke, den Dienstwagen und die Tankkarte zurückzugeben, das Gehalt werde heruntergestuft. Dann sollte die Frau plötzlich doch wieder ins Büro kommen. Dort fand sie auf ihrem Schreibtisch einen Blumenstrauß mit einer Karte des Geschäftsführers vor, auf der er sie nach einem gemeinsamen Sauna- bzw. Thermenbesuch fragte. Sie wollte nicht, es folgte die Kündigung.
Unzumutbarkeit wegen Beleidigungen und Repressalien
Die Frau klagte daraufhin auf Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses und auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung. Nach der Güteverhandlung folgten noch Vergleichsgespräche, doch als sie aufgefordert wurde, wieder arbeiten zu kommen, erkrankte die Frau.
Schon das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn gab der Klage weitgehend statt (Urt. v. 14.11.2024, Az. 1 Ca 456/24), das LAG Köln blieb bei dieser Wertung: Die Kündigung war zwar rechtswidrig, doch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wäre für die Frau unzumutbar, § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Diese Feststellung führte zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht.
Die Unzumutbarkeit sah das Gericht in den Beleidigungen und den drohenden Repressalien. Daran konnte auch der Blumenstrauß auf dem Tisch nichts mehr ändern, stellte die 4. Kammer des LAG klar: Die Reaktionen des Geschäftsführers auf die ablehnende Haltung der klagenden Mitarbeiterin zeigten, dass sie auch zukünftig Repressalien zu befürchten habe. Er habe die wirksam übereigneten Geschenke abholen lassen und Tankkarte und Dienstwagen zurückgefordert – all das sei rechtswidrig gewesen. Dafür musste die Nutzung des Pkw laut Gericht auch nicht im Arbeitsvertrag stehen: Mit der Gestellung (auch zur privaten Nutzung) sei konkludent ein Vertragsangebot auf eine Lohnerhöhung durch Gewährung eines Sachbezugs gemacht worden, das die klagende Frau durch Nutzung des Pkw ebenfalls konkludent angenommen habe.
Im Übrigen zeige die Kündigung vier Tage nach der Ablehnung der Thermen-Offerte, dass die „Nachhaltigkeit der Entschuldigung nicht allzu hoch einzuschätzen ist“.
Weiterbeschäftigungsanspruch nicht treuwidrig
Der beklagte Arbeitgeber berief sich pauschal auf Pflichtverletzungen, die die Frau gemacht habe, doch substantiiert genug war dem LAG nichts von dem Vortrag. Die zuletzt sehr hohe Vergütung und nie erfolgte Abmahnungen ließen diesen nach Ansicht des Gerichts unglaubwürdig erscheinen.
Unschädlich war nach dem LAG auch, dass die Frau neben dem Antrag auf Auflösung hilfsweise einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht hatte. Darin liege kein treuwidriges, widersprüchliches Verhalten. Das sei eine von Rechtanwälten standardmäßig vorgenommene prozessuale Verknüpfung und beinhalte nicht die materiell-rechtliche Aussage, es lägen keine Auflösungsgründe vor und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei zumutbar.
Erhöhung des Faktors wegen „erheblicher Herabwürdigung“
Arbeitsrechtlich auffällig ist die Höhe der Abfindung. Deren Zweck bestehe in erster Linie in dem Ausgleich für die Vermögens- und Nichtvermögensschäden für den nicht gerechtfertigten Verlust des Arbeitsplatzes, betonte das LAG. Doch sie beinhalte auch eine Sanktion, um den Arbeitgeber künftig von sozial ungerechtfertigten Kündigungen abzuhalten. Zudem würden die mit dem Verlust der Arbeitsstelle einhergehenden psychischen Belastungen ausgeglichen. Der Abfindung komme „ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine Genugtuungsfunktion zu“, so das LAG.
Die konkrete Berechnung war wie folgt: Vier Jahre und fünf Monate Beschäftigung ergibt den Faktor von 4,4, die Basis sei ein Gehalt pro Beschäftigungsjahr, § 10 KSchG, bei einem Gehalt von einem monatlichen Bruttoeinkommen in Höhe von 7744,75 Euro. Da hier die Rechtswidrigkeit der Kündigung in diesem Fall feststand, verwendete es nicht den üblichen Abschlag von einem halben Gehalt wegen des ungewissen Ausgangs des Rechtsstreits.
Das LAG setzte den Faktor zunächst um 0,5 Punkte herauf, weil die ausgesprochene Kündigung „grob sozialwidrig“ war. Eine weitere Erhöhung um 0,5 Punkte setzte die Kammer wegen der „erheblichen Herabwürdigung der Person der Klägerin“ und wegen der mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen psychischen Belastung an. Damit landete das Gericht bei einem Faktor von 2, der multipliziert mit dem monatlichen Bruttoeinkommen von zuletzt 7744,75 Euro bei 4,4 Jahren eine Abfindungssumme von 68.153,80 Euro ergibt.
Die Feststellung des bestehenden Anspruchs auf Zeugniserteilung war dann nur noch eine Formsache.
Das LAG ließ die Revision wegen Einzelfallentscheidung nicht zu.
Zitiervorschlag
LAG Köln zur Kündigung nach sexueller Belästigung:
. In: Legal Tribune Online,
29.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58022 (abgerufen am:
29.08.2025
)
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