Häftlingsmisshandlungen in einer JVA in Augsburg haben für Aufsehen gesorgt. Doch was folgt aus dem Skandal? Michael Lindemann plädiert dafür, den offenen Vollzug zu stärken und Alternativen zur Freiheitsstrafe zu finden.

Die Vorwürfe zu den Vorkommnissen in der JVA Augsburg-Gablingen, auf die eine breitere Öffentlichkeit maßgeblich durch die Berichterstattung des ARD-Magazins Kontraste und des Bayerischen Rundfunks aufmerksam gemacht wurde, wiegen schwer und haben das Stadium des bloßen Anfangsverdachts inzwischen weit hinter sich gelassen. 

Über Wochen sollen Gefangene immer wieder grundlos und unter menschenunwürdigen Bedingungen in besonders gesicherten Hafträumen untergebracht worden sein – ohne Kleidung und Matratze sowie unter Vorenthaltung von Nahrung, Flüssigkeit und adäquater Beleuchtung. Selbst der Zugang zu grundlegenden Maßnahmen der Körperhygiene soll ihnen verwehrt worden sein.  

Ein Gefangener berichtete, als er von Bediensteten in einer kritischen Situation zum Mitkommen aufgefordert worden sei, habe die Antwort auf seine Frage, wohin man ihn bringen wolle, gelautet: „In die Hölle des Südens!“. Kurz darauf sei auch er im besonders gesicherten Haftraum gelandet. 

In den Medienberichten finden sich Schilderungen schikanösen Verhaltens und brutaler tätlicher Übergriffe durch das Personal, vermeintlich gebilligt oder gar orchestriert von der seinerzeitigen stellvertretenden Anstaltsleiterin. Durch dezidiert rüdes Betragen sollen die Beamten der sog. Sicherungsgruppe auch andernorts aufgefallen sein: Bei einer Drogenrazzia in der JVA Neuburg-Herrenwörth, zu der die Augsburger Beamten hinzugezogen wurden, soll es nach Berichten von Gefangenen ebenfalls zu Drohungen und massiver Gewaltanwendung gekommen sein. Kolportiert wird u.a. die Äußerung „Du Bastard, ich hau‘ Dir die Zähne raus, wo ist Dein Stoff?“. 

Justizministerium und Staatsanwaltschaft lange untätig 

An Hinweisen auf diese Missstände gegenüber offiziellen Stellen des Freistaates mangelte es nicht; sie blieben jedoch lange folgenlos. So formulierten Gefangene und deren Angehörige dringliche Eingaben an das Bayerische Staatsministerium der Justiz, und eine Augsburger Anstaltsärztin begründete ihre Kündigung in einem Brandbrief mit den unhaltbaren Zuständen vor Ort, die sie detailliert schilderte.  

Daraufhin von der Staatsanwaltschaft Augsburg eingeleitete Vorermittlungen verliefen ergebnislos; es hätten sich keine Hinweise auf Straftaten Bediensteter ergeben. Verurteilt wurde hingegen ein Gefangener, der aus dem Zusammentreffen mit zwei Beamten der JVA u.a. in seiner Gefangenenakte dokumentierte Rippenbrüche und Blutergüsse davongetragen und darüber Beschwerde geführt hatte. Das Amtsgericht Augsburg sah hier die Vorwürfe des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der Körperverletzung bestätigt.

StV Heft 9, Foto: Carl Heymanns Verlag

Selbst die Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter wurde offenbar behindert: Ihre Mitglieder mussten bei einer unangekündigten Visitation der JVA Augsburg-Gablingen verdächtig lange an der Pforte warten. Als sie schließlich eingelassen wurden, präsentierten sich ihnen die Verhältnisse vor Ort in einem milderen Licht. Im Nachgang berichteten anonyme Hinweisgeber, die Isolationsräume seien noch schnell mit dem Nötigsten ausgestattet worden. 

Gerügt wurde gleichwohl zunächst die Nationale Stelle, und zwar vom Leiter der Abteilung Justizvollzug des bayerischen Justizministeriums: Er äußerte „Erstaunen“ und „Befremden“ darüber, dass die Kontrolleure unangemeldet Zutritt zur JVA verlangt hätten. Dieses Vorgehen entspreche nicht der „üblichen Praxis“ und solle künftig unterbleiben. Immerhin von diesem rechtsirrigen Vortrag distanzierte sich der Justizminister umgehend. 

Handlungsdruck erst aufgrund der Medienberichte 

Ernsthafter Handlungsdruck entstand im zuständigen Ministerium offenbar erst aufgrund der Medienberichte. Nach dem Willen des Ministers sollen nun nicht nur die strafrechtlichen Vorwürfe „rückhaltlos“ und „mit Hochdruck“ aufgeklärt, sondern von einer Kommission auch Empfehlungen für eine grundrechtskonforme Ausgestaltung der Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum erarbeitet werden. Versetzt wurde der erwähnte Leiter der Abteilung Justizvollzug; er soll sich im Ministerium zukünftig um die weniger sensiblen Aufgabengebiete Haushalt, Bau, Organisation und Geschäftsstatistik kümmern.

Zuletzt wurden offenbar auch hohe Beamte des Justizministeriums von der Staatsanwaltschaft zur Sache vernommen – als Zeugen, aber dem Vernehmen nach unter Hinweis auf das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO. 

Die Ergebnisse der Beratungen der erwähnten Kommission stehen aktuell ebenso aus wie Abschlussverfügungen der Staatsanwaltschaft in den gegen die Bediensteten geführten Ermittlungsverfahren.

Allerdings dürften die Resultate der in Rede stehenden Aktivitäten ohnehin nicht geeignet sein, das quälende Unbehagen zu beseitigen, das die medial und zuletzt auch durch die Nationale Stelle dokumentierten Schilderungen gewalttätiger Übergriffe und unzureichender Haftbedingungen hinterlassen haben. Denn dieses Unbehagen speist sich nicht aus technischen oder regulatorischen Detailfragen, und es hat seine Gründe auch nicht primär in den möglichen individuellen Verfehlungen, die Gegenstand der Ermittlungsverfahren sind.

Vielmehr geht es um Grundsätzlicheres. 

Geschlossener Vollzug als Raum gesteigerter Grundrechtsgefährdung 

Denn unabhängig davon, ob am Ende Strafrichterinnen und Strafrichter die Überzeugung gewinnen, dass Bedienstete der JVA Augsburg-Gablingen (oder gar des bayerischen Justizministeriums) strafrechtlich vorwerfbar gehandelt haben: Der Fall ist ein Lehrstück über die unhintergehbaren Machtasymmetrien und die weitgehende Abschirmung von öffentlicher Wahrnehmung, die den geschlossenen Vollzug von Untersuchungshaft und Freiheitsstrafe von allen anderen staatlichen Institutionen unterscheiden, und die ihn zu einem Raum erheblich gesteigerter Grundrechtsgefährdung machen. 

Grundlegend problematisch und besorgniserregend sind nämlich bereits die erkennbaren Schwierigkeiten der Gefangenen und der Anstaltsärztin, sich mit ihren Berichten über eklatante Missstände Gehör zu verschaffen. Die darin zum Ausdruck kommende Gefährdungslage wird nicht durch minimalinvasive Eingriffe in das Vollzugssetting und auch nicht durch die Verurteilung einzelner in die Geschehnisse involvierter Staatsdiener zu beseitigen sein. Sie ist dem geschlossenen Vollzug vielmehr ebenso eingeschrieben wie die vielfältigen entsozialisierenden Wirkungen, die nachgewiesenermaßen von ihm ausgehen.  

Stärkung des offenen Vollzugs und Reform der Ersatzfreiheitsstrafe 

Auch wenn man unter der selbstverständlich fortwährenden Geltung der Unschuldsvermutung einmal alles außen vor lässt, bei dem nach wie vor Aussage gegen Aussage steht: Die schon jetzt zweifelsfrei feststehenden Geschehnisse um die JVA Augsburg-Gablingen bieten genügend Anlass, die Bemühungen um eine Zurückdrängung geschlossener zugunsten offener Vollzugsformen und die Suche nach Alternativen zur Freiheitsstrafe zu intensivieren.

Entlang der einzelnen Stationen des sanktionenrechtlichen Trichtermodells – das den Weg des konkreten Falles durch das Strafjustizsystem beschreibt – existieren bereits de lege lata vielfältige Möglichkeiten zur Vermeidung vollstreckbarer Freiheitsstrafen. Von diesen Möglichkeiten sollte noch beherzter als bisher Gebrauch gemacht werden; es sollte aber auch weiterhin intensiv über einen Ausbau entsprechender Ausstiegsstellen de lege ferenda beraten werden.

Neben einer Stärkung des offenen Vollzuges – der in Bayern bekanntlich ein Schattendasein fristet – ist in diesem Zusammenhang etwa auch eine weitergehende Reform der Ersatzfreiheitsstrafe zu erwägen. Dass die in dieser Hinsicht zuletzt vom Gesetzgeber unternommenen Schritte ausreichen, um die substantiierten Einwände der Wissenschaft gegen dieses Rechtsinstitut zu entkräften, darf bezweifelt werden. Dazu, wie mit dem im Falle beherzterer Reformen von Fall zu Fall hinzunehmenden Sanktionsverzicht umzugehen wäre, lässt sich im europäischen Ausland überzeugendes Anschauungsmaterial gewinnen.  

Die hier eingeforderten Bemühungen sollten an sich dem Selbstverständnis eines strafenden Staates entsprechen, der sich den Grund- und Menschenrechten verpflichtet sieht und Strafe – zumal in ihrer eingriffsintensivsten Form, der unbedingten Freiheitsstrafe – als ultima ratio betrachtet. Sie lassen sich jedoch auch auf den Gedanken der Folterprävention stützen. Denn die Entstehungsbedingungen für Machtmissbrauch und unzureichende externe Kontrolle sind eben besonders günstig hinter Stacheldraht und hohen Mauern. 

Der Autor Prof. Dr. Michael Lindemann ist Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Universität Bielefeld und Mitherausgeber eines Kommentars zum Strafvollzugsrecht. 

In dem Text hat der Autor ein Thema aufgegriffen, dem er sich auch im Editorial der Zeitschrift „StV – Strafverteidiger“, Heft 9, 2025, gewidmet hat. Die Zeitschrift wird wie LTO von Wolters Kluwer herausgegeben. Sie ist als Einzelausgabe hier und als Abo hier erhältlich.

Zitiervorschlag

Bayerische JVA als „Hölle des Südens“:

. In: Legal Tribune Online,
04.09.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58063 (abgerufen am:
04.09.2025
)

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