Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold, die an diesem Donnerstag erst als Verfassungsrichterin gewählt werden soll, wird wohl schon einen Tag später zur Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts aufsteigen.

Die Verfassungsrichterwahl, die Deutschland in diesem Sommer aufwühlte, verlief in den letzten Tagen wieder in ruhigen Bahnen. Am Montag erhielt auch Sigrid Emmenegger im 12-köpfigen Wahlausschuss des Bundestags das Plazet. Emmenegger hatte sich nach LTO-Informationen dort persönlich vorgestellt und Fragen der Abgeordneten beantwortet. Emmenegger ist der SPD-Ersatzvorschlag für die Rechtsprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, die ihre Kandidatur Anfang August zurückzog, nachdem sich keine ausreichende Unterstützung der CDU/CSU abzeichnete.

An diesem Donnerstag werden ab 16.30 Uhr im Bundestag also drei Kandidat:innen zur Wahl stehen. Die BVerwG-Richterin Sigrid Emmenegger, die Münchener Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold und der BAG-Richter Günter Spinner. Emmenegger und Kaufhold wurden von der SPD vorgeschlagen, Spinner von der CDU/CSU.

Dass alle drei die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, gilt mittlerweile als sicher. Zwar fehlen CDU/CSU, SPD und Grünen im Bundestag sieben Stimmen zur Zwei-Drittel-Mehrheit. Doch inzwischen hat die Linke erklärt, dass sie die Abstimmung für ihre Abgeordneten als „Gewissensfrage“ freigibt. Damit werden wohl auch für den Unions-Kandidaten Spinner mindestens soviele Links-Abgeordnete stimmen, dass es nicht auf die Stimmen der AfD ankommt, die auch für Spinner stimmen will.

Wer folgt auf Doris König

Offen war zum Schluss aber noch die Frage, wer auf die ausscheidende Richterin Doris König als Vorsitzende des Zweiten Senats und als Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts folgt. Ursprünglich sollte dies ja Frauke Brosius-Gersdorf sein. Doch schon Anfang Juli einigten sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU und SPD, Jens Spahn und Matthias Miersch, dass Brosius-Gersdorf nur einfache Verfassungsrichterin werden sollte. So wollten die Koalitionsstrategen den rebellischen CDU/CSU-Abgeordneten, die Brosius-Gersdorf wegen ihrer liberalen verfassungsrechtlichen Positionen zum Schwangerschaftsabbruch ablehnten, ein Zugeständnis machen, um die Wahl von Brosius-Gersdorf zu retten – was aber bekanntlich misslang.

Seitdem war unklar, wen die SPD als neue Vizepräsidentin vorschlägt. Fragen wurden nicht beantwortet. In Betracht kamen sowohl Ann-Katrin Kaufhold, die damals schon als Richterkandidatin nominiert war, als auch Sigrid Emmenegger. die seit Anfang September als Ersatzkandidatin für Brosius-Gersdorf im Spiel ist. Die Amtszeit beider ist gleich lang.

Nach Informationen von LTO hat sich die SPD inzwischen für Kaufhold entschieden. Emmenegger wird zwar auf den Richterposten von König nachrücken. Die beiden Zusatz-Funktionen Königs als Senatsvorsitzende und Vizepräsidentin des Gerichts soll dagegen Kaufhold übernehmen.

Kaufhold wurde von der SPD wohl ausgewählt, weil sie als besonders ausgleichend auftretende Moderatorin gilt – gute Voraussetzungen, um das pluralistisch besetzte Gericht zusammenzuhalten. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet schließlich die größte Akzeptanz, wenn sie einstimmig ergeht.

Von der Vizepräsidentin zur Präsidentin

Besonderes Gewicht hat die Bestimmung der neuen Vizepräsidentin, weil sie in fünf Jahren sogar Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts würde. Im November 2030 endet die Amtszeit des jetzigen Präsidenten Stephan Harbarth, der von der Union nominiert worden war. Nach ungeschriebenen Regeln ist beim nächsten Mal die SPD an der Reihe. Kaufhold könnte dann noch sieben Jahre als BVerfG-Präsidentin amtieren.

In den aktuellen Zeiten zunehmend zugespitzter innenpolitischer Lagen kann das Bundesverfassungsgericht als Garant für faire Verfahren und die Wahrung der Grundrechte noch wichtiger werden als bisher schon – sei es, weil die etablierten Parteien doch ein Verbot der AfD beantragen, sei es weil eine dann regierende AfD gegen die Vertreter:innen der alten Parteien vorgeht.

Eine Vizepräsidentin oder Präsidentin hat im Bundesverfassungsgericht zwar nicht mehr Macht als die anderen Richter:innen, denn alle Richterstimmen zählen gleich. Aber die Präsidentin vertritt das Gericht nach außen, ist das Gesicht des Gerichts und prägt dessen öffentliche Wahrnehmung. In konfliktreichen Zeiten kann dies eine sehr einflussreiche Position sein.

Wahl im Bundesrat

Bundestag und Bundesrat wählen im Wechsel den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und den Vizepräsidenten, so § 9 BVerfG-Gesetz. Bei der Nachfolge von Doris König ist diesmal der Bundesrat an der Reihe, der zufälligerweise gleich an diesem Freitag tagt. Auf der Tagesordnung heißt es bereits unter TOP 87: „Wahl einer Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts“. Dabei ist aber noch kein Name genannt.

Vermutlich wird Bremens Regierender Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD), der in BVerfG-Fragen die SPD-regierten Länder koordiniert, den Antrag zur Wahl von Kaufhold stellen. Vorher wartet er aber wohl noch auf das grüne Licht von Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der die unionsregierten Länder koordiniert. Vermutlich wird der Name Kaufhold erst kurz vor Beginn der Bundesrats-Sitzung offiziell bekannt.

Erforderlich ist auch bei der Wahl Kaufholds zur Vizepräsidentin eine Zwei-Drittel-Mehrheit, § 9 Abs.3 iVm § 7 BVerfGG.

Zitiervorschlag

Neue BVerfG-Vizepräsidentin:

. In: Legal Tribune Online,
24.09.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58227 (abgerufen am:
24.09.2025
)

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