Während Hausarbeiten und kurz vor dem Examen wird die Bibliothek zum zweiten Wohnzimmer. Doch am Anfang des Studiums tun sich viele schwer damit, sich dort zurechtzufinden. Ein Leitfaden für die Recherche.
K415W2=01. Oder auch Ha11:D505L3=01. Was wie ein Geheimcode aussieht, ist das Handwerkszeug für Bibliotheken: Damit ein bestimmtes Werk unter Tausenden von Büchern gefunden werden kann, bekommt jedes Buch in der Bibliothek eine Signatur, also eine Standortbezeichnung. Wie man diese ermittelt und damit die Literatur findet, die man sucht, ist für so manchen Studienanfänger eine Herausforderung.
„Da man um die Nutzung der juristischen Bibliotheken während des Jurastudiums nicht herumkommt, empfehle ich, sich schon im ersten Semester mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Carl Erich Kesper, Leiter der juristischen Seminarbibliothek an der Universität Bonn. Spätestens, wenn eine Professorin oder ein Dozent in der Vorlesung einen bestimmten Text empfiehlt, wird es Zeit, der Bibliothek einen Besuch abzustatten.
Für frisch gebackene Studierende ist zunächst die Bibliothek am Fachbereich Jura interessant. An traditionellen Universitäten heißt sie häufig auch „juristisches Seminar“. Der Begriff stammt aus der Zeit, als für Seminarveranstaltungen mit geringer Teilnehmerzahl noch eigene Bibliotheken angelegt wurden. Darüber hinaus gibt es an Universitäten die Zentralbibliothek, die Literatur für alle Studiengänge, so auch für Jura, bereithält. Hinzu kommen oft Institutsbibliotheken mit spezialisierter Forschungsliteratur. Beide sind für Erstsemester erst einmal nicht von Belang, sondern kommen unter Umständen erst im späteren Studium in Frage, wenn es um spezielle juristische Fragestellungen geht.
Viel Literatur nur noch digital verfügbar
Haben Studierende in Vorlesungen eine konkrete Literaturempfehlung erhalten, sollten sie zunächst online im Bibliothekskatalog prüfen, ob und in welcher Form das Werk vorliegt. „Manche Universitäten bieten aus Kostengründen nur noch elektronische Versionen an“, sagt Christian Wolf, Leiter der juristischen Bibliothek an der Universität Marburg. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Studierende zum Arbeiten aber noch immer gern die Papierversion nutzen.“
Manche Bücher können ausgeliehen und zu Hause verwendet werden, andere Materialien sind nur für die Arbeit in der Bibliothek vorgesehen und können daher ausschließlich vor Ort gelesen werden. Viele Bibliotheken haben bis in die späten Abendstunden und auch am Wochenende geöffnet. Vor allem fortgeschrittene Studierende, die gerade Seminar- oder Hausarbeiten erstellen oder für ihr Examen lernen, benötigen ausgedehnte Zugriffsmöglichkeiten auf Literatur und die Möglichkeit, in Ruhe konzentriert arbeiten zu können. Daher Wolfs Bitte an Erstsemester: „Nehmen Sie Rücksicht auf Mitstudierende, die in der Bibliothek lernen und arbeiten. Wenn Sie soweit sind, werden Sie ebenfalls für einen ruhigen Arbeitsplatz und gut erhaltene Bücher dankbar sein.“
Vortrag zur Nutzung in der Ersti-Woche
Wer eine Frage zur Nutzung der Bibliothek oder der Kataloge hat, kann sich jederzeit an die Mitarbeitenden vor Ort wenden. Tagsüber ist in der Regel Fachpersonal anwesend, das sich bestens mit allen Fragen rund um Recherche und Literatur auskennt. In den Randzeiten kann es sein, dass man auf studentische Hilfskräfte oder auch nur auf Sicherheitspersonal trifft, das meist weniger gut Bescheid weiß.
Um sich selbst sicher in der Bibliothek zurechtzufinden, empfehlen sich Schulungen, die an vielen Universitäten angeboten werden. Mancherorts ist es ein Vortrag zur Bibliotheksnutzung im Rahmen der Erstsemesterwoche, an anderen Standorten kann es ein Zoom-Webinar oder eine ausführliche Präsenzschulung sein. „Die Nachfrage nach Bibliotheksschulungen ist allerdings recht niedrig“, so die Erfahrung von Christian Wolf. „Dabei kann man sich das Leben viel leichter machen, wenn man weiß, wie man sinnvoll in Datenbanken recherchiert.“ In seinen Schulungen lernen die Studierenden zum Beispiel, wie sie Suchfilter so nutzen können, dass sie bessere Ergebnisse erhalten, und wie die Suche in komplexen Datenbanken funktioniert.
Tipps für nicht-kommerzielle Anbieter
Elektronische Medien ermöglichen den Studierenden noch einmal einen ganz anderen Umgang mit Literatur. Thomas Hofer, Geschäftsführer des Rechtsinformatikzentrums an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Nikolaus Bauer, Dozent des Zertifikatsstudiums Informationsrecht & Legal Tech, bieten daher für Erstsemester Seminare speziell zur Datenbankrecherche an. „Wer auf Online-Literatur zugreift, arbeitet viel effizienter als mit physischen Büchern“, sind die beiden überzeugt. Man kann sich zum Beispiel elektronische Akten anlegen, in denen Quellen für Fußnoten hinterlegt sind, und wird routinierter im Umgang mit Datenbanken.
In den Schulungen des Rechtsinformatikzentrums verbringen die Teilnehmenden viel Zeit mit praktischen Rechercheübungen und lernen verschiedene Suchstrategien für klassische Quellen wie beck-online oder Juris, aber auch für kleinere Datenbanken kennen. „Dieses Wissen kann man später auch gut im Arbeitsleben nutzen“, betont Hofer. „Auch Anwältinnen und Anwälte müssen oft noch selber in der Literatur recherchieren.“ Bauer warnt dabei vor der Nutzung von frei zugänglichen Datenbanken, weil man nie genau wisse, ob die Informationen neutral sind oder die Betreiber mit der Auswahl der Quellen bestimmte Ziele verfolgen.
Ein weiterer Tipp von Hofer: Man sollte immer auch Alternativen zu den Online-Datenbanken kennen. „Denn es kommt schon mal vor, dass Inhalte aus Datenbanken entfernt werden und man sich die Informationen dann an anderen Stellen holen muss.“ Vor allem im Bereich der Gesetzgebung und Rechtsprechung gibt es umfangreiche nicht-kommerzielle Angebote öffentlicher Stellen. „Diese zu kennen hilft, wenn der Zugang zu den kommerziellen Angeboten über die Hochschule nicht mehr verfügbar ist“, so Hofer.
Schlendern und verschiedene Bücher anlesen
„Die Fähigkeit zum Selbststudium ist wichtig für Jurastudierende“, ist auch Carl Erich Kesper aus Bonn überzeugt. „Viele Themen können in den Vorlesungen nur angerissen und müssen durch die eigene Arbeit mit der passenden Literatur vertieft werden. Zudem bedarf es der regelmäßigen Lektüre, um den juristischen Stil und die Fachterminologie zu schulen.“
Sein Rat an Studienanfänger:innen: Einfach mal an den Regalen in einer juristischen Bibliothek entlanggehen, die unterschiedlichsten Bücher in die Hand nehmen und sie anlesen. „Dann bekommt man einen Überblick über die Arten juristischer Literatur. Und findet vielleicht unter den zahlreichen konkurrierenden Studienbüchern diejenigen, die einem am besten liegen. Das müssen nicht unbedingt immer die Bücher sein, die in einer Vorlesung empfohlen werden.
„Die Menge an juristischer Literatur ist riesig“, so Kesper. „Die für die Studierenden eingerichteten Bibliotheken treffen durch ihre Erwerbungsentscheidungen immerhin eine Vorauswahl. Mit einem breiten Literaturangebot gewähren sie aber auch die Freiheit, einen eigenen, individuellen Zugang zur juristischen Literatur zu finden.“