Eierlikör enthält Ei, ein Likör ohne Ei nicht. Ein Spirituosen-Verband zog ein kleines Unternehmen vor Gericht – ohne Erfolg. Das LG Kiel ließ sich nicht davon überzeugen, dass eine “gedankliche Verbindung” zu Eierlikör hergestellt werde.
Ein Likör, der kein Ei enthält, darf „Likör ohne Ei“ heißen. Das hat das Landgericht (LG) Kiel in einem Streit zwischen dem Schutzverband der Spirituosen-Industrie und einem kleinen Produzenten aus Schleswig-Holstein entschieden (LG Kiel, Urt. v. 28.10.2025, Az.: 15 O 28/24).
Den Namen “Likör ohne Ei” hatte das Unternehmen aus den schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) für seine vegane Spirituose auf Sojabasis mit Rum gewählt. Der Schutzverband der Spirituosen-Industrie befürchtete aber eine Verwirrung der Verbraucher und zog gegen den Hersteller vor das LG Kiel, verlor aber eindeutig.
Entsteht eine “gedankliche Verbindung” zu Eierlikör?
Unternehmer Ole Wittmann war überzeugt, Konsumenten würden verstehen, dass in seinem Produkt kein Ei verarbeitet ist und sah daher keine Irreführung. Der klagende Verband hingegen sah einen Verstoß gegen die EU-Spirituosenverordnung. Eine Bezugnahme des Namens auf Eier sei nicht erlaubt, weil keine Eier enthalten seien. Die Bezeichnung “Likör ohne Ei” stelle eine gedankliche Verbindung zu Eierlikör her, argumentierte der Verband. Auch das sei unzulässig.
Die Kammer hielt den Antrag für unbegründet, sagte der Sprecher des Landgerichts, Markus Richter, nach der Urteilsverkündung am Dienstagmorgen der Nachrichtenagentur dpa. Die Bezeichnung sei aus Sicht der Kammer unproblematisch. Insbesondere europarechtliche Verbraucherschutzvorschriften stünden dem nicht entgegen. „Weil es eben nicht Eierlikör ist“, sondern gerade eine Abgrenzung gegenüber dem Begriff Eierlikör sei, so Richter.
Die Kammer für Handelssachen habe entschieden, dass sowohl die Bezeichnung der Spirituose als „Likör ohne Ei“ als auch ihre Bezeichnung als „Alternative zu Eierlikör“ nicht gegen Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 2019/787 verstoße, erläutert Richter gegenüber LTO. Beide Bezeichnungen seinen keine Anspielungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung, sondern erkennbar Abgrenzungen gegenüber dem Begriff „Eierlikör“ und daher nicht zu beanstanden. Auf Art. 12 der Verordnung komme es deshalb nicht an.
Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass Ziel der Verordnung sei, Verbraucher vor Irreführung zu schützen, nicht Hersteller traditioneller Spirituosen vor Konkurrenz durch neuartige Spirituosen.
“Alternative zu Eierlikör” ist eine Abgrenzung zu Eierlikör
Nach Richters Angaben erlaubt das Gericht auch die Formulierung “Alternative zu Eierlikör”, weil das eine Abgrenzung zu Eierlikör sei. Bei dem Produkt der Nachlass Warlich GmbH handelt es sich um einen veganen Likör auf Sojabasis mit Rum. Das Unternehmen hat auch einen klassischen Eierlikör im Angebot.
Das beklagte Unternehmen muss dem Urteil zufolge aber 5.000 Euro an den Kläger zahlen, weil es zu einem Detail des Streits eine Unterlassungserklärung abgegeben und dagegen verstoßen hatte.
Der beklagte Unternehmer Ole Wittmann äußerte sich zufrieden nach dem Urteil: “Ich bin extrem erleichtert und glücklich.” Wittmann hatte zur Finanzierung des Prozesses ein Crowdfunding gestartet und eine Sonderedition des Likörs herausgegeben, bei dem der letzte Buchstabe des Namens auf dem Etikett durch eine Hahnenfeder abgedeckt ist. Geld, das nach dem Prozess übrig sei, werde er dem Tierschutz spenden.
Einen positiven Nebenaspekt hat das Verfahren aus Wittmanns Sicht: “Durch den großen Medienrummel und die große Resonanz in den sozialen Medien hat das zu einer gewissen Bekanntheit geführt.” Der “Likör ohne Ei” verkaufe sich inzwischen gut im Online-Shop.
Rechtsanwalt Peter Weiler von der Berliner Kanzlei Mueller.legal erklärt gegenüber LTO, das Urteil gebe der EU-Spirituosenverordnung eine neue Richtung: Nun sei klar gestellt, dass die Verordnung “nicht dazu dient, traditionelle Spirituosen und deren Hersteller vor Wettbewerb zu schützen, sondern den Verbraucher vor einer Irreführung.“ Weiler erklärt: “Solange für den Verbraucher deutlich ist, dass er nicht die Spirituose erwirbt, sind sowohl die Verwendung des Begriffs als auch eine Anspielung oder Herstellung einer gedanklichen Verbindung zur geschützten Spirituose erlaubt. Das gibt Herstellern von Alternativprodukten, seien sie alkoholfrei oder vegan, die Möglichkeit in der Werbung auf Eigenschaften der geschützten Spirituose Bezug zu nehmen, ohne gegen die Verordnung zu verstoßen.”
Vereinnahmende oder abgrenzende Anspielung? Spirituosen-Verband will Berufung
Für den Schutzverband der Spirituosen-Industrie, dessen Vorsitzender der Geschäftsführer des Eierlikörherstellers Verpoorten, William Verpoorten, ist, kündigte Rechtsanwalt Christofer Eggers Berufung zum Oberlandesgericht Schleswig an: “Die Entscheidung hat mich in der Tat überrascht, auch wenn das LG Kiel bereits in der mündlichen Verhandlung sein Unbehagen zum Ausdruck gebracht hat.”
Das LG sei zu dem Ergebnis gekommen, dass mit einer verbotenen Anspielung nur eine vereinnahmende Anspielung gemeint sei, nicht aber eine abgrenzende Anspielung. Das weicht nach Eggers Ansicht von bisher vorliegenden Urteilen zu dieser Frage ab.
“Ei, Ei, Ei, Ei, Ei”: Streit um Eierlikör gab es auch schon früher
Um Verbraucherschutzfragen und Markenrechte werden immer wieder Prozesse geführt. Ein anderes Beispiel aus der Welt des Eierlikörs ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass die Bewerbung von Eierlikörflaschen des Herstellers Nordik mit “Ei, Ei, Ei, Ei, Ei” zulässig ist.
Der Kläger Verpoorten hatte eine deutliche Anlehnung und zu große Nähe zur seit 1979 eingetragenen Wortmarke “Eieiei” und dem berühmten Slogan “Eieiei Verpoorten” bemängelt. Es könne einem Eierlikörhersteller nicht untersagt werden, auf den Grundstoff Ei hinzuweisen, entschied das Gericht.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Aktenzeichen und weitere Erläuterungen des LG Kiel gegenüber LTO ergänzt um 14:07. Statement von Peter Weiler ergänzt um 18:46.
Zitiervorschlag
LG Kiel: Likör ohne Ei darf auch so heißen:
. In: Legal Tribune Online,
28.10.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58474 (abgerufen am:
28.10.2025
)
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