Kann eine geschlechtsbezogene Anrede in Schreiben des Gerichts angegriffen werden? Das OLG Frankfurt am Main meint: Nein, denn es handele sich nicht um einen Justizverwaltungsakt. Auch richterliche Unabhängigkeit spiele eine Rolle.

Eine nicht-binäre Person hat keinen Anspruch auf eine Entscheidung darüber, ob die Ansprache „Sehr geehrter Herr …“ in verfahrensleitenden Schreiben zulässig ist. Denn bei diesen Schreiben handelt es sich nicht um Justizverwaltungsakte, sodass der Rechtsweg nicht eröffnet ist. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschieden (Beschl. v. 28.10.2025, Az. 3 VAs 9/25).

Die betroffene Person hat einen gestrichenen Geschlechtseintrag. Gegen sie läuft ein Berufungsverfahren wegen Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch, StGB). Durch das zuständige Landgericht wurde die Person in gerichtlichen Schreiben wiederholt mit „Sehr geehrter Herr …“ angesprochen.

Dies will die Person nicht hinnehmen und begehrt die Feststellung, dass diese geschlechtsspezifische Anrede unzulässig und deswegen zu unterlassen sei. Deshalb stellte sie einen Antrag gemäß § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG). Hiernach entscheiden die ordentlichen Gerichte „über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten […] getroffen werden“. Es geht dabei um sogenannte Justizverwaltungsakte, unter die die verfahrensleitenden Schreiben aber nicht fallen, wie das OLG nun entschied.

Verfahrensleitende Schreiben enthalten „keien Regelung an sich“

Aus Sicht des OLG ist damit schon der Rechtsweg nicht eröffnet. Denn es gehe nicht um die Beseitigung, Vornahme oder Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsaktes. Die männliche Ansprache sei schlicht kein tauglicher Streitgegenstand. Denn Justizverwaltungsakte im Sinne von § 23 EGGVG müssten stets eine Regelungsfunktion erfüllen. In den Schreiben, die mit „Sehr geehrter Herr …“ beginnen, ging es nur um eine geänderte Terminplanung, die Übersendung einer Anlage und neue konkrete Berufungshauptverhandlungstermine.

Mit den in den Schreiben enthaltenen männlichen Anreden sei insoweit „keine Regelung an sich“ enthalten. Vielmehr sieht das OLG darin lediglich einen „formellen Beginn und Ausdruck einer gängigen Höflichkeit einer schriftlichen Kommunikation“. Regelungsgehalt hätten dagegen ausschließlich die Schreiben als Ganzes, meint das OLG.

Auch sei die männliche Anrede keine Maßnahme, die durch eine Justizbehörde getroffen worden sei. Das OLG ordnet die Schreiben stattdessen der „justizförmigen Verwaltungstätigkeit“ zu. Es handele sich zwar nicht um Rechtsprechung im engeren Sinne, wohl aber um richterliche Tätigkeit, die in verfassungsrechtlich garantierter richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt werde, so das OLG.

jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt am Main zur Kommunikation mit Gerichten:

. In: Legal Tribune Online,
18.11.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58657 (abgerufen am:
18.11.2025
)

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