Die Bundesanwaltschaft hofft immer noch auf eine Einstufung der Nazi-Kampfsportgruppe Knockout 51 als terroristische Vereinigung, wird aber wohl enttäuscht werden. Christian Rath war bei der Revisionsverhandlung dabei.
Knockout 51 war eine 2019 gegründete Kampfsportgruppe für Rechtsextremisten. Sie versuchte, mit Gewalt gegen Linke, Polizisten und Junkies in Eisenach-West einen „Nazi-Kiez“ zu etablieren. Im April 2022 wurden mehrere Mitglieder verhaftet. Im April 2025 verurteilte sie das Oberlandesgericht Jena zu Haftstrafen. Leon Ringl, der Gründer und Rädelsführer, wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.
Das OLG Jena stufte Knockout 51 zwar als kriminelle Vereinigung gemäß § 129 Strafgesetzbuch (StGB) ein; das Ziel sei gewesen, mit Körperverletzungen gegen Linke, Polizisten und „Asoziale“ vorzugehen. Eine „terroristische Vereinigung“ gemäß § 129a StGB konnte das OLG aber nicht erkennen. Hier hätte das Ziel die Tötung politischer Gegner sein müssen, so das Gericht.
Die Bundesanwaltschaft blieb aber bei ihrer Einschätzung, Knockout 51 habe sich ab Frühjahr 2021 radikalisiert und ab da das Ziel gehabt, Linke nicht nur zu verprügeln, sondern auch zu töten. Dazu sollten linke Angriffe provoziert werden, um in vermeintlicher Notwehr zuschlagen zu können. Die Bundesanwaltschaft wollte mit ihrer Revision gegen das Jenaer Urteil erreichen, dass Knockout 51 doch als terroristische Vereinigung eingestuft wird
Bundesanwaltschaft sieht Tötungsabsicht
In Karlsruhe wies Staatsanwältin Sandra Lücke darauf hin, dass einer der Angeklagten in einem Videospiel ein Antifa-Logo als Zielscheibe nutzte. Er habe auch Gewaltfantasien geäußert, etwa dass er gerne mit einem Pkw „in zehn bis 15 Zecken“ reinfahren würde. „Das sind klare Indizien, dass das Ziel nun die Tötung des politischen Gegners ist“, erklärte die Anklägerin. Die Rechtsextremisten hätten auch viel über Notwehr diskutiert. „Antifas umlegen, 32 StGB ausreizen“, habe es unter Bezug auf den Notwehrparagrafen geheißen.
Anführer Ringl habe zudem an einer halbautomatischen Waffe gebaut und 300 Patronen bestellt. „Das spricht erheblich gegen eine defensive und für eine offensive Ausrichtung der Gruppe“, so die Staatsanwältin. Es sei auch lebensfremd, wenn das OLG als Gruppenzweck zwar rechtswidrige Körperverletzungen annehme, bei Tötungsdelikten aber nur von rechtmäßigen (durch Notwehr gedeckten) Taten ausgehe.
Die Bundesanwaltschaft ließ auch nicht das Argument des OLG gelten, dass es in den zwölf Monaten bis zu den Verhaftungen im April 2022 gar keine Tötungsdelikte und auch keine Notwehrprovokationen gegeben habe. „Darauf kommt es gar nicht an“, erklärte Staatsanwältin Lücke, „§ 129a StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt.“ Schon eine entsprechende tödliche Zielsetzung erhöhe die Gefährlichkeit einer Vereinigung.
Die provozierte Notwehrprovokation
Die (nicht anwesenden) Angeklagten wurden durch insgesamt acht Anwälte verteidigt. Steffen Hammer fand, man solle die abgehörten Aussagen der Eisenacher Kampfsportler nicht so ernst nehmen. „Das sind derbe und überzogene Späße unter jungen Männern.“ Sein Kollege Andreas Wölfel meinte, vieles sei „Prahlerei und Verbalradikalismus“.
Außerdem hätten die Mitglieder von Knockout 51 auch Grund gehabt, sich gegen die Antifa zu bewaffnen und über Notwehr nachzudenken. Anwalt Hammer verwies auf die (nicht nach ihm benannte) „Hammerbande“ (auch „Antifa Ost“ genannt), die derzeit in Dresden vor Gericht steht und mehrfach die Kneipe von Ringl überfallen hatte. Er warf der Bundesanwaltschaft „Doppelmoral“ vor, weil sie Knockout 51 als „terroristische Vereinigung“ einstufe, während die „Hammerbande“ trotz angeklagter Mordversuche nur als „kriminelle Vereinigung“ gelte.
Anwalt Heiko Urbanzyk argumentierte, dass eine terroristische Vereinigung nur vorliegen könne, wenn diese rechtswidrige Tötungsdelikte verüben wolle. Wenn sich eine Vereinigung auf gerechtfertigte Notwehr vorbereitet, falle das nicht unter § 129a StGB. Selbst wenn man Knockout 51 eine Notwehrprovokation hätte nachweisen können, wäre sie dadurch von der Antifa provoziert worden und hätte deshalb straflos gehandelt, so Anwalt Urbanzyk. Er sprach von einer Gewaltspirale, bei der die Notwehr aber unbeschränkt sei.
Es spricht vieles dafür, dass der Bundesgerichtshof (BGH) am Ende das Urteil des OLG Jena im Kern bestehen lässt. Der Vorsitzende BGH-Richter Jürgen Schäfer verwies darauf, dass sich das OLG-Urteil auf mehr als 50 Seiten mit der Frage beschäftigt, ob eine terroristische Vereinigung vorliegt. Mangelnde Gründlichkeit könne man dem Gericht sicher nicht vorwerfen.
Zwar räumt Schäfer ein, dass die Gesamtabwägung des OLG zu dieser Frage am Ende sehr knapp ausfalle. „Aber muss man deshalb unterstellen, das OLG habe all das zuvor Gesagte aus den Augen verloren?“, fragte der Vorsitzende Richter.
„Frauengeschichten“ und Machtdemonstrationen
Neben der Bundesanwaltschaft hatten auch alle Angeklagten Revision eingelegt. Dort ging es aber um eher punktuelle Fragen.
In mehreren Revisionsrügen versuchten die Anwälte, einzelne Taten aus dem Kontext von Knockout 51 zu lösen und als quasiprivate Straftaten darzustellen, insbesondere wenn es darum ging, andere Männer dafür abzustrafen, dass sie Kontakt zu ihren Freundinnen suchten. Anwalt Urbanzyk sprach von „Frauengeschichten“ unter Männern mit viel Testosteron.
Bundesanwalt Matthias Krauß ließ das aber nicht gelten. Die Täter hätten sich bei solchen Racheakten ausdrücklich als Mitglieder von Knockout 51 vorgestellt, außerdem seien bei solchen Machtdemonstrationen oft auch andere Gruppenmitglieder dabei gewesen. Die Täter hätten Knockout 51 als eine Art „Ordnungsmacht“ eingesetzt, auch wenn sie dabei private Interessen verfolgten.
Der BGH wird sein Urteil am 26. Januar 2026 verkünden.
Die mündliche Verhandlung zu Knockout 51 war vom BGH nicht in der üblichen Presseübersicht angekündigt worden. Offensichtlich glaubte der 3. Strafsenat unter Schäfer, dass an diesem Verfahren kein öffentliches Interesse besteht.
Zitiervorschlag
BGH-Verhandlung über rechtstextreme Schlägergruppe:
. In: Legal Tribune Online,
27.11.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58735 (abgerufen am:
28.11.2025
)
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