An der TU Dresden beschäftigt sich Johannes Windisch am Zentrum für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung damit, wie sich lebende Zellen mit Hilfe von 3D-Druckern in Strukturen drucken lassen, die dann bestimmte Aufgaben übernehmen können. In einer aktuellen Studie hat er sich damit beschäftigt, inwiefern feiner Sand von Mars und Mond genutzt werden kann, um praktisch das zu druckende Material zu verbessern oder die Zellen, in diesem Fall Mikroalgen, zu ernähren.
Warum wollen Sie wissen, ob man Mond- oder Marsgestein für die Kultivierung von Mikroorganismen nutzen kann?
Derzeit tritt die Raumfahrt in eine Phase ein, in der wir das Umfeld der Erde verlassen. Noch sind Menschen hauptsächlich an Bord der ISS. Aber die ESA will zum Mond und langfristig auch Richtung Mars. Das bedeutet: Je weiter Astronauten sich von der Erde entfernen, desto unabhängiger müssen sie werden. Das betrifft Versorgungsflüge, medizinische Versorgung, Ernährung, all das. Deshalb wird gerade in Technologien investiert, die diese Unabhängigkeit herstellen sollen. Eine davon ist das 3D-Bioprinting, also der 3D-Druck von lebenden Strukturen.
Dafür gibt es primär zwei Anwendungsgebiete. Der erste ist die Medizin. Da werden verschiedene Typen von humanen Zellen in druckbare Materialien gemischt und dann auf verschiedene Weise in gewebeähnliche Strukturen und Zellanordnungen gedruckt. So könnte man unter anderem künstliche Haut als Ersatz herstellen.
Der zweite Anwendungsfall, da werden die Mikroalgen relevant, sind Kreislaufsysteme zur Lebenserhaltung. Sie stellen den Astronauten Sauerstoff bereit oder reinigen Abwasser. Das passiert schon jetzt auf der Erde. Auch hier werden solche Algen in manchen Kläranlagen verwendet. Algen sind aber auch spannend, weil sie pharmazeutische Wirkstoffe erzeugen könnten, oder auch als Nahrungsmittel geeignet wären.
Warum verwenden Sie 3D-Druck? Sie könnten die Algen doch auch einfach in flüssigen Kulturen züchten?
Ja, meistens stellt man sich das so vor, dass die einzelligen Algen in ihrem Medium schwimmen und alles verstoffwechseln, was wir ihnen geben. So läuft das auch in den Kläranlagen, da schwimmen die Algen sozusagen in der Suppe mit. Bei diesen Prozessen müssten wir sie dann aber am Ende herausfiltern. Um diesen Schritt zu sparen und die Anwendung an einem festen Punkt im System zu verankern, versuchen wir deshalb, die Algen von vornherein in eine Art Filter einzubetten, der gedruckt wird. Dieses Gitter können wir dann im Experiment zum Beispiel von Abwasser durchströmen lassen und untersuchen, wie viel CO2 aufgenommen und wie viel Sauerstoff abgegeben wird. Werden Nitrate oder Phosphate verstoffwechselt, die aus dem Abwasser entfernt werden sollen? Da können wir dann am Ende das Wasser analysieren, ohne dass die Mikroalgen drin sind. Außerdem können wir einfach das Gitter tauschen, wenn die Algen zu dicht gewachsen sind und die Effizienz sinkt. Wir drucken ein neues und hängen das ein, ohne den Prozess anzuhalten.
Für die jetzt publizierte Studie haben Sie Mond- und Marsgestein, sogenanntes Regolith, untersucht. Wo haben Sie das denn herbekommen?
Echter Mond- oder Marsstaub wäre unfassbar teuer. Aber es gab eine Arbeitsgruppe an der University of Central Florida, das sogenannte Exolith Lab. Dort haben Forscherinnen und Forscher Daten von Sonden und den Rovern ausgewertet, die Mond und Mars untersucht haben. Sie haben die Zusammensetzung des Gesteins analysiert, die Mineralogie, also die chemische Zusammensetzung und die Korngrößenverteilung an unterschiedlichen Orten auf Mond und Mars betrachtet. Dann haben sie Äquivalente hergestellt, also Regolith Simulantien, welche mineralisch, chemisch und von ihren Korngrößen jeweils dem Gestein auf Mond- oder Marsboden entsprechen. Diese Ersatzmischungen sind zwar nicht perfekt identisch. Es gibt Unterschiede, etwa bei Spurenelementen oder der Oberflächenchemie. Aber im Großen und Ganzen funktionieren diese Materialien sehr gut als Laborersatz.
Welche Funktionen erfüllt das Regolith in ihrem Experiment?
Da gibt es zwei Aspekte. Zum einen suchen wir nach Stoffen, die unsere Hydrogele mit den Zellen darin stabilisieren, damit sie im 3D-Druckprozess gut funktionieren. Wir haben da bisher vor allem mit Methylzellulose als Andicker gearbeitet und jetzt untersucht, ob wir das durch Regolith ersetzen können. Außerdem wissen wir bereits, dass es verschiedene Mikroorganismen gibt, die Teile des Regoliths als Nahrungsquelle nutzen können. Eine Gruppe aus Bremen hat zum Beispiel gezeigt, dass Cyanobakterien tatsächlich in einer Marsatmosphäre auf Wasser und Regolith wachsen, also sich ihre Nährstoffe direkt dort herausziehen können.
Unsere Mikroalgen können das leider nicht. Sie brauchen die Nährstoffe gelöst in ihrem Kulturmedium. Deshalb haben wir geschaut, was passiert, wenn wir das Regolith in das Zellkulturmedium einbringen. Welche Stoffe werden dort freigesetzt? Wie werden diese Stoffe genutzt?
Welche Nährstoffe sind in den Gesteinen enthalten?
Das sind tatsächlich eine ganze Reihe von Stoffen. Wir haben uns davon exemplarisch acht angeschaut. Sehr relevant sind etwa Phosphate, aber auch Eisen, Magnesium, Kalium, Calcium oder auch Aluminium. Eine ganze Reihe von Spurenelementen sind wichtig für die Photosynthese der Mikroalgen.
Wie gut hat das Regolith als Nahrungsquelle für die Mikroorganismen funktioniert?
Das lässt sich nicht pauschal zusammenfassen. Von den verschiedenen Regolith-Simulantien werden in verschiedenen Kulturmedien unterschiedliche Stoffe freigesetzt. Mikroalgen oder Cyanobakterien gehen damit auch unterschiedlich um. Deswegen gibt es praktisch keine perfekte Kombination, wo wir ausschließlich Regolith nutzen können. Aber wir haben jetzt Rezepte dafür, welche Stoffe wir von der Erde mitbringen müssen und welche durch das Regolith verfügbar wären.
Wären Ihre Ergebnisse übertragbar auf die echten Bedingungen auf Mond und Mars?
Das hängt natürlich vom konkreten Ort ab. Beim Mars müssten wir schauen, wie hoch der Perchlorat-Gehalt jeweils ist. Eventuell müsste man das Regolith zuerst waschen und vielleicht auch malen, wenn die Körnung noch zu groß ist. Ein Vorteil ist aber, dass es dort oben im Gegensatz zu sehr vielen anderen Dingen in fast unbegrenzter Menge verfügbar ist. Und es ist steril. Man müsste es also nur einsammeln. Aber grundsätzlich sind wir relativ weit mit unserem Wissen. Wir könnten tatsächlich das Material dort in unser Hydrogel einbringen.