Der Generalbundesanwalt hat im Budapest-Komplex Anklage gegen sechs mutmaßliche Linksextremisten zum OLG Düsseldorf erhoben. Die Anwälte bezweifeln die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.

Der Generalbundesanwalt hat am 17. Juni Anklage zum Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gegen sechs mutmaßliche Linksextremist:innen erhoben. Das hat die Generalbundesanwaltschaft gegenüber LTO bestätigt. Den Personen werden Taten im sogenannten Budapest-Komplex vorgeworfen. Sie sollen am “Tag der Ehre” in Ungarn mehrere Verbrechen begangen haben. Die Vorwürfe lauten auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung und auf versuchten Mord mit jeweils unterschiedlichen Ausformungen und Beteiligungsgraden. Die Anklage betrifft sechs von sieben Personen, die sich Anfang des Jahres 2025 freiwillig den Strafverfolgungsbehörden gestellt hatten.

Hintergrund der Anklagen sind die Vorfälle im Februar 2023 in Budapest. Zum “Tag der Ehre” trafen sich Neonazis aus ganz Europa, um unter anderem der Waffen-SS zu huldigen. Die Angeschuldigten sollen als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Personen dort angegriffen und schwer verletzt haben. Sie sollen ihnen aufgelauert, sie verfolgt und dann etwa mit Teleskopschlagstöcken auf sie eingeschlagen haben. Die Anklage betrifft Nele A., Emilie D., Paula P., Luca S., Moritz S. und Clara W., bestätigte die Generalbundesanwaltschaft gegenüber LTO.

Für die Anwält:innen der sechs Personen ist die Anklage wegen Mordes nicht nachvollziehbar, teilten sie in einer Erklärung mit. Selbst die ungarische Justiz habe bei diesen Taten gerade keinen Tötungsvorsatz gesehen, teilten sie mit. Auch der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) habe das anders als der Generalbundesanwalt bewertet und den Erlass von Haftbefehlen wegen eines versuchten Tötungsdeliktes abgelehnt, da kein dringender Tatverdacht für einen Tötungsvorsatz bestehe, so die Anwälte.

Ob es bei der Anklage wegen dieser Taten bleibt, muss noch das OLG Düsseldorf entscheiden: Das Gericht muss die Anklage zulassen, § 203 Strafprozessordnung (StPO)

Ist das OLG Düsseldorf örtlich zuständig?

Dafür ist auch Voraussetzung, dass das OLG Düsseldorf örtlich zuständig ist. Der Gerichtsstand kann sich aus verschiedenen Gründen ergeben: dem Tatort (§ 7 StPO), dem Wohnort oder gewöhnlichen Aufenthaltsort der Angeklagten (§ 8 StPO) oder dem Ergreifungsort (§ 9 StPO). 

Die Anwält:innen der Angeklagten halten das OLG Düsseldorf nicht für den richtigen Gerichtsstand. Einen persönlichen Bezug der Angeschuldigten zu NRW gebe es nicht, so die Anwält:innen. Vielmehr hätten die meisten Angeschuldigten ihre sozialen Bindungen nahe dem OLG Jena, sodass aus ihrer Sicht dort eine Anklageerhebung zu erwarten gewesen wäre. Zudem wiesen mehrere der nicht in Budapest verorteten Vorwürfe örtlichen Bezug zu Thüringen auf.

Tatsächlich hatte ursprünglich die Generalstaatsanwaltschaft in Sachsen die Ermittlungen gegen die jetzt Angeschuldigten aufgenommen: Auffällig wurde diese Gruppe den Behörden rund um die bereits verurteilte Lina E. Später, etwa im April 2024, übernahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen.

Logistische Herausforderung für die Anwälte

Für die Anwält:innen drängt sich „insofern der Eindruck auf, dass eine Anklage beim OLG in Jena gezielt nicht erfolgen sollte, weil in dieser Region Bedrohungen und Übergriffe durch rechte Kräfte Alltag sind“. Entsprechend stark sei auch die Szene von Antifaschist:innen organisiert. Der Generalbundesanwalt scheine „eine Verhandlung in einer Stadt, in der den Angeschuldigten die Unterstützung durch ihre Familien, Freund:innen und breite Solidarität von Antifaschist:innen sicher ist, vermeiden zu wollen“, so die Anwält:innen in der Mitteilung. Tatsächlich fand Ende Juni in Jena eine Demonstration gegen Rechtsextremismus und aus Solidarität mit den strafrechtlich Verfolgten im Budapest-Komplex statt. Nach einem Bericht des MDR demonstrierten rund 5.000 Menschen. 

Auch für die Anwält:innen wird eine Verteidigung in Düsseldorf eine logistische Herausforderung: Sie kommen im Wesentlichen aus den Großräumen Berlin, Leipzig und Hamburg.

Für die Bundesanwaltschaft kann sich der Gerichtsstand Düsseldorf jedoch aus dem Ergreifungsort ergeben: Einer der jetzt Angeschuldigten hatte sich in Köln, je zwei in Bremen und Kiel, eine Person in Hamm gestellt – für ganz NRW ist das OLG Düsseldorf in Staatsschutzsachen zuständig. Selbst wenn neben NRW gleichzeitig ein Gerichtsstand in einem anderen Bundesland begründet ist, hat die Bundesanwaltschaft ein Ermessen, wo sie die Anklage erhebt. Die Grenze für dieses Ermessen ist Willkür.

Großer Saal im Hochsicherheitsgebäude

Für die Justiz bietet der Staatsschutzsenat am OLG Düsseldorf diverse Vorteile: Der Bau mit zwei Gerichtssälen ist ein Hochsicherheitsgebäude mit Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach. Der große Saal bietet auf 560 Quadratmetern Platz für 145 Zuschauer:innen, 15 Angeklagte, 60 Rechtsanwälte:innen und 30 Sicherungskräfte. 

Ähnlich wie die Außenstelle des OLG für derartige Verfahren in München liegt auch das Gerichtsgebäude in Düsseldorf abseits von jeglichem Publikumsverkehr. In der Nähe sind nur einige Büroräume, ansonsten ist das Gebäude nur von der Filiale einer Fast-Food-Kette, dem provisorischen Polizeigebäude und Feldern umgeben. Demonstrationen oder Mahnwachen von Unterstützer:innen würden damit an diesem Ort wenig Beachtung finden.

Weitere Verfahren am OLG Jena, OLG München und in Budapest

Vor diesem OLG in Dresden hatte die Generalbundesanwaltschaft gegen sieben weitere mutmaßliche Linksextremisten Mitte Juni Anklage wegen ähnlicher Tatvorwürfe auch im Kontext mit Ungarn erhoben. Bei diesen Angeklagten handelt es sich um Henry A., Tobias E., Johann G., Thomas J., Melissa K., Paul M. und Julian W. Auch diese Anklage ist bisher nicht zugelassen.

Gegen eine weitere mutmaßliche Linksextremistin, Hanna S., läuft seit Februar der Prozess in München. Auch dort lautet die Anklage neben der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) und gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 StGB) auch auf versuchten Mord (§ 211 Abs. 2, §§ 22, 23 StGB).

Eine weitere Person wurde vor rund einem Jahr rechtswidrig nach Ungarn überstellt: die non-binäre Person Maja T. Seit Februar läuft gegen sie der Prozess in Budapest. 

Zitiervorschlag

Budapest-Komplex vor dem OLG Düsseldorf:

. In: Legal Tribune Online,
04.07.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57582 (abgerufen am:
04.07.2025
)

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