Zwischen Hausprojekten und Straßenbahnlärm bietet die Spätibar Makan auf der Wurzner Straße einen neuen Treffpunkt im Leipziger Osten. Noch vor wenigen Monaten beherbergte die Ladenfläche einen kleinen, urigen Gewürzladen, dessen Gerüche noch immer in den Wänden stecken. Diese Woche wird der Späti zu einer kreativen Fläche für Kunst: Mit ihrer Ausstellung »Fragments of Leipzig – Visuelle Ethnographien im urbanen Raum« präsentieren Studierende des Instituts für Ethnologie an der Universität Leipzig die Ergebnisse ihrer ethnographischen Forschung. Durch künstlerische Umsetzung in Texten, Fotografien, Fundstücken oder Objekten haben sie den urbanen Raum Leipzigs erforscht und Fragestellungen, Perspektiven und Erzählungen der Stadt mit individuellen Forschungsfragen in Verbindung gesetzt.
Für Paola Kirchhof, Kuratorin des Projekts und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Ethnologie bedeutet das Projekt eine Chance, akademische Inhalte an die Öffentlichkeit zu bringen: »Ich habe mich während des Studiums oft gefragt, warum ich wissenschaftliche Texte schreibe, die letztlich nur ein sehr begrenztes Publikum erreichen. Durch meine künstlerische Praxis war das immer ein Thema: Wie kann ich Wissen – auch akademisches – zugänglicher machen?« Diesen Ansatz konnte sie als Leiterin eines Methodenseminars direkt umsetzen.
Die Ausstellung zeigt nun, wie die Studierenden ihre Modularbeiten nicht nur wissenschaftlich, sondern auch künstlerisch umsetzten. »Sie haben Beobachtungen gemacht und Interviews geführt und wir übersetzen das nun in künstlerische Formen – Skulpturen, Videos, Bilder. Sogar einen Springbrunnen gibt es«, so Paola Kirchhof. So entstehe die Möglichkeit, durch die Ausstellung nicht nur mit den Interviewpartnern, sondern auch mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und das generierte Wissen nach außen zu tragen: »Besonders Menschen, die keinen Zugang zum akademischen Kontext haben. Denn viele Themen sind spannend, aber oft fehlt der Zugang.«
Eine Gruppe habe sich beispielsweise mit der Frage beschäftigt, wer in der Öffentlichkeit Raum einnehmen darf, erzählt Kirchhof. Sie hätten probeweise am Hauptbahnhof gepicknickt, um zu testen, ob und wann sie weggeschickt würden. Eine weitere Studentin hat weibliche Graffiti-Sprayerinnen begleitet, um zu sehen, wie sie in dem immer noch männlich-dominierten Feld agieren. Entstanden ist daraus ein Fotobuch, das nun im Späti ausliegt.
Die Ergebnisse sollen bewusst außerhalb des akademischen Kontextes sichtbar gemacht werden – der Spätverkauf als alltäglicher, öffentlicher Raum wird dabei zum Ort der Begegnung. Statt Limoflaschen und Bierkisten säumen Kunstwerke aller Art die Regale – durch QR-Codes gibt es zu jedem Ausstellungsstück weiterführende audiovisuelle Infos. Den Raum hat Paola Kirchhof mit den Studierenden gezielt ausgewählt. Im Gegensatz zu einer Galerie oder einem Museum ermöglicht der Späti als informeller und offener Ort eine andere Art der Kunstvermittlung. »Kunst kann eine Möglichkeit sein, Wissen auf eine andere Weise weiterzugeben oder zu übersetzen. Oft ist jedoch die Kunstwelt, ähnlich wie die akademische Welt, sehr elitär. Der Zugang zu Museen ist zwar theoretisch da, praktisch aber oft nicht gegeben.«
Der Späti soll für Paola Kirchhof dabei insbesondere Menschen, die mit Kunst bisher wenig Berührungspunkte hatten, eine Möglichkeit bieten, künstlerische Inhalte zu entdecken: »Vielleicht haben sie grundsätzlich Interesse an Kunst und Wissenschaft, würden aber nie ins Museum gehen. Viele empfinden diese Orte als einschüchternd – alles wirkt sehr schick, und man hat das Gefühl, nicht dazuzugehören. Das wollte ich aufbrechen. Kunst in den öffentlichen Raum bringen, Wissenschaft und Kunst verbinden, aber eben nicht im klassischen Sinne als Street Art oder Graffiti im ganz öffentlichen Raum, sondern in einem semi-öffentlichen Raum.«
Heute eröffnet die Ausstellung mit einer Vernissage, bei der Forschende wie Kunstschaffende dazu einladen, gemeinsam in den Austausch zu kommen. Neben Gesprächen gibt es Performances und DJ-Sets ab 18 Uhr.
> Vernissage: 10. Juli, 18 Uhr, Späti Bar Makan (Wurzner Str. 3, Leipzig)
> Öffnungszeiten Ausstellung 10.-13. Juli: Donnerstag 14 Uhr – 01 Uhr, Freitag & Samstag 14 Uhr – 03 Uhr, Sonntag 11 Uhr – 22 Uhr