Jahrelang durften Hotels auf ihrer eigenen Website keine günstigeren Preise anbieten als auf Booking.com. Nach einem EuGH-Urteil verlangen sie jetzt Schadensersatz – mit breiter Rückendeckung.
Ein Urteil aus Luxemburg, eine Klagewelle in Amsterdam – und mittendrin ein Buchungsportal, das die Hotelbranche über zwei Jahrzehnte mit Preisvorgaben auf Linie hielt. Jetzt kontern die Hoteliers: Mehr als 10.000 von ihnen ziehen vor Gericht, unterstützt von Verbänden aus ganz Europa. Ziel: Schadensersatz für das, was Booking.com jahrelang als Vertragsstandard verkaufte.
Im Zentrum stehen sogenannte Bestpreisklauseln. Diese verpflichteten Hotels lange Zeit, ihre Zimmer nicht günstiger als auf Booking.com anzubieten – auch nicht auf der eigenen Website. Begründet wurde das mit dem Kampf gegen Trittbrettfahrer: Gäste könnten sich auf Booking.com informieren, dann aber günstiger direkt beim Hotel buchen.
Zunächst untersagte Booking den Partnerhotels auch günstigere Preise auf anderen Plattformen wie HRS oder Expedia – es waren „weite“ Klauseln.
Wenn der Präsident des Bundeskartellamts am Chiemsee übernachten will
Bereits 2013 hatte in Deutschland das Bundeskartellamt dem Anbieter HRS und 2015 Booking die „weite“ Bestpreisklauseln untersagt. Der BGH bestätigte 2021 den Kartellrechtsverstoß. Eine Anekdote veranschaulicht, wie die Diskussion damals ins Rollen kam: Als Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in einem Hotel am Chiemsee eine zusätzliche Nacht buchen wollte, verlangte die Rezeption mehr Geld als für die Onlinebuchung. Begründung: Der günstigste Preis darf laut Vertrag nur über das Portal angeboten werden. Wieder zurück in Bonn nahm sich die Behörde die Klauseln vor – mit weitreichenden Folgen.
Seitdem gilt in Deutschland ein anderes Wettbewerbsumfeld. „Wettbewerb auf dem Markt der Ferienunterkünfte ist für Reisende gut, weil er die Vielfalt des Deutschlandtourismus abbildet und im Ergebnis zu günstigeren Preisen führt“ sagte Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV). Plattformen brächten für Anbieter und Gäste viele Vorteile: „Wichtig ist, dass der Wettbewerb funktioniert und die Regeln für alle gelten.“
Der EuGH sagt: Das geht nicht
Booking hatte auf Kartellamt und Gericht reagiert und hielt nur noch an der „engen“ Variante fest: günstiger als bei Booking.com durfte das Angebot nur auf der eigenen Seite nicht sein.
Doch auch diese Variante hält vor dem Europäischen (EuGH) Gerichtshof nicht stand. In einem Vorabentscheidungsverfahren urteilten die Luxemburger Richter im Herbst 2024, dass selbst enge Bestpreisklauseln gegen das Kartellverbot verstoßen – gemeint ist Art. 101 Abs. 1 AEUV, das Absprachen und abgestimmte Verhaltensweisen verbietet, die den Wettbewerb beeinträchtigen können.
Der Versuch von Booking.com, die Klauseln als notwendige Nebenabrede zur Verhinderung von Trittbrettbuchungen darzustellen, überzeugte nicht. Die Richter erklärten, Plattformen könnten auch ohne solche Vorgaben wirtschaftlich bestehen.
Auslöser des Verfahrens war eine Klage von Booking.com vor dem Bezirksgericht Amsterdam, wo das Unternehmen seinen Sitz hat. Es wollte feststellen lassen, dass die Klauseln mit EU-Recht vereinbar seien. Dem widersprachen unter anderem 62 Hotels aus Deutschland mit einer Widerklage – sie forderten Schadensersatz. Das Amsterdamer Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor.
Jetzt wird’s konkret – 20 Jahre Preisbindung auf dem Prüfstand
Nach dem Luxemburger Urteil geht es nun in die nächste Runde. Die Klage vor dem Bezirksgericht Amsterdam umfasst den Zeitraum von 2004 bis 2024 und wird von der Hotel Claims Alliance koordiniert. Unterstützung kommt von der europäischen Hotelallianz Hotrec sowie über 30 nationalen Hotelverbänden, darunter auch der Hotelverband Deutschland (IHA).
„Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam aufzutreten“, heißt es aus den Reihen der Kläger. Die Resonanz war so groß, dass die Anmeldefrist zur Klagebeteiligung verlängert wurde – bis Ende August.
Booking.com: nützlich, aber dominant
So sehr viele Hotels die Vertragsbedingungen kritisieren – auf das Angebot der Plattform verzichten wollen die wenigsten. Booking.com bleibt einer der wichtigsten Vertriebskanäle der Branche. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis lag der Marktanteil von Booking Holdings im Jahr 2023 europaweit bei 71 Prozent, in Deutschland sogar bei 72,3 Prozent.
Gleichzeitig sank der Anteil der Direktbuchungen in Deutschland zwischen 2013 und 2023 um über acht Prozent. Das Machtverhältnis ist damit klar – auch wenn Booking.com die umstrittenen Klauseln inzwischen abgeschafft hat.
Ob Booking.com zahlen muss – und wie viel – wird nun das Bezirksgericht Amsterdam klären. Die EuGH-Entscheidung dürfte dabei eine zentrale Rolle spielen.
xp/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Zitiervorschlag
Schadensersatz für Preisbindung gefordert:
. In: Legal Tribune Online,
04.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57824 (abgerufen am:
05.08.2025
)
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