Israel beabsichtigt, den Militäreinsatz im Gazastreifen auszuweiten und die Stadt Gaza einzunehmen. Deutschland zieht jetzt Konsequenzen: Es werden keine Rüstungsgüter mehr geliefert, die im Gaza-Krieg verwendet werden könnten.

Rund 22 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich Israels Führung für eine weitere Verschärfung der Kämpfe in dem Küstenstreifen entschieden. Das israelische Sicherheitskabinett stimmte einem Plan zur Einnahme der Stadt Gaza zu. Das teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitagmorgen mit. Das Gremium billigte nach stundenlangen Beratungen einen entsprechenden Militäreinsatz.

Nach dem Beschluss erhöht die Bundesregierung den Druck auf Israel. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte an, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt würden, die im Gaza-Krieg verwendet werden könnten.

In den vergangenen Wochen hatte die Bundesregierung das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen immer schärfer kritisiert. Nunmehr ergreift sie erstmals konkrete Maßnahmen. Dass sie nun ihre Rüstungsexporte teilweise einstellt, bedeutet einen Kurswechsel gegenüber Israel im Nahost-Konflikt.

Merz kritisiert Pläne für noch härteres Vorgehen in Gaza

Merz betonte in einer schriftlichen Erklärung, Israel habe das Recht, sich gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Die Freilassung der Geiseln und zielstrebige Verhandlungen über einen Waffenstillstand hätten für Deutschland oberste Priorität. Die Hamas müsse entwaffnet werden und dürfe in der Zukunft von Gaza keine Rolle spielen.

„Das in der vergangenen Nacht vom israelischen Kabinett beschlossene, noch härtere militärische Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen lässt aus Sicht der Bundesregierung immer weniger erkennen, wie diese Ziele erreicht werden sollen“, hieß es in der schriftlichen Erklärung des Kanzlers. „Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“

Die Bundesregierung bleibe zutiefst besorgt über das fortdauernde Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, so Merz. „Mit der geplanten Offensive trägt die israelische Regierung noch stärker als bisher Verantwortung für deren Versorgung. Sie muss einen umfassenden Zugang für Hilfslieferungen ermöglichen, auch für UN-Organisationen und andere nicht-staatliche Institutionen.“

Frühere Entwicklungen führten nicht zu Export-Stopp

Die Bundesregierung hatte bislang einen Stopp von Rüstungsexporten nach Israel abgelehnt. Seit dem Terrorangriff der Hamas vor fast zwei Jahren genehmigte sie Rüstungsexporte für fast eine halbe Milliarde Euro. Vom 7. Oktober 2023 bis zum 13. Mai 2025 wurde die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung im Wert von 485,1 Millionen Euro an Israel erlaubt, wie das Bundeswirtschaftsministerium vor kurzem auf eine Anfrage der Linksfraktion antwortete.

Auch der Erlass eines Haftbefehles gegen Netanjahu durch den Internationalen Strafgerichtshof im November 2024 hat nicht zu einem Stopp der Rüstungsexporte geführt. Angesichts dieser Entwicklung hatten Völkerrechtsexperten bereits damals gegenüber LTO Bedenken über die Zulässigkeit der Waffenlieferungen geäußert. Denn nach Art. 7 Abs. 1 und 3 des Vertrags über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) dürfen Waffenexporte nicht genehmigt werden, wenn der Staat ein überwiegendes Risiko sieht, dass die Waffen eingesetzt werden, um eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts zu begehen oder zu ermöglichen.

Insbesondere wegen der Waffenlieferungen wirft Nicaragua Deutschland Beihilfe zum Völkermord vor und hat die Bundesrepublik vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) verklagt und ein Eilverfahren angestrengt. Den Eilantrag lehnte der IGH ab, das Hauptsacheverfahren läuft noch.

Auch die Bemühungen um Eilrechtsschutz von Palästinensern vor den Verwaltungsgerichten blieben ohne Erfolg. Mehrere Gerichte lehnten die Anträge, mit denen der Bundesregierung Waffenlieferungen an Israel untersagt werden sollten, als unzulässig ab.

Zustimmung von Linken, SPD und Grünen, Kritik von der Jungen Union

Die Reaktionen auf die nun gefällte Entscheidung für eine Einschränkung der Militärhilfe fallen gemischt aus. Vizekanzler und SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil erklärte: „Dem Staat Israel gilt unsere volle Solidarität, aber Falsches muss benannt werden.“

Auch die Linke und die Grünen begrüßen das Vorgehen der Bundesregierung – fordern aber mehr. Grünen-Chefin Franziska Brantner sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Endlich kommt die Bundesregierung ins Tun und stoppt die Lieferungen von Waffen, die in Gaza eingesetzt werden können. Ich begrüße das sehr, es kann aber nur ein erster Schritt sein.“ Es brauche jetzt ernsthaften Druck für ein Ende des Kriegs und der humanitären Katastrophe. 

Lea Reisner, Linken-Außenpolitikerin, meint, die Bundesregierung müsse nun entschieden handeln: „Das EU-Assoziierungsabkommen aussetzen, Palästina anerkennen und die Maßnahmen des Gutachtens des Internationalen Gerichtshofs umsetzen.“

Kritik kommt dagegen aus den Reihen der Jungen Union (JU). Der JU-Vorsitzende und CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Winkel schrieb auf der Plattform X: „Israel macht ab heute die Drecksarbeit für uns, nur ohne deutsche Waffen.“ Und auch der Zentralrat der Juden in Deutschland findet deutliche Worte: „Dieser Kurswechsel läuft allen Solidaritätsbekundungen und Versprechen zuwider, die der Bundeskanzler seit seinem Amtsantritt vertreten hat“, sagte Präsident, Josef Schuster, in Berlin. Israel werde täglich von Feinden angegriffen und mit Raketen beschossen. „Israel nun die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen solche Bedrohungen zu verteidigen, gefährdet dessen Existenz.“

lmb/LTO-Redaktion

Mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Gaza-Krieg:

. In: Legal Tribune Online,
08.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57871 (abgerufen am:
08.08.2025
)

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