Im „Block-Prozess“ schildert Christina Block ihre verzweifelten Pläne, ihre Kinder zurückzuholen – von Bootsfahrten bis Maskenbildner. Im Fokus: Freundin „Olga“, 120.000 Euro Bargeld und der Vorwurf eines Alarmknopfs um den Hals der Tochter. 

Am vierten Verhandlungstag im sogenannten „Block-Prozess“ ist die Stimmung im Saal angespannt. Raum 237 ist warm und stickig, alle Beteiligten wirken auf einen langen Tag eingestellt. Als die Kammer eintritt, erheben sich die Anwesenden. Danach bleibt es für einige Minuten still, bis der in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte hereingeführt wird. Die Presse fotografiert, Christina Block bleibt regungslos.

Knapp einen Monat nach ihrer ausführlichen Einlassung wirkt Block erschöpft, niedergeschlagen, aber zugleich kontrolliert – ruhig, fast souverän. Sie sitzt zwischen ihrem Pflichtverteidiger und ihrer neuen Wahlverteidigerin; vor einer Woche hatte sie sich von ihrem bisherigen Pflichtverteidiger getrennt.

Überlegungen zur Rückholung der Kinder

In den Antworten auf die teils scharf gefassten Fragen der Vorsitzenden Richterin Isabel Hildebrandt wird deutlich: Block hatte mit Beratern und Sicherheitsfirmen verschiedene Szenarien zur Rückholung ihrer Kinder erwogen – auch per Boot über die Flensburger Förde. Es sei ihr, so betont sie, darum gegangen, den Kindern sechs Wochen nach dem Ausbleiben der vereinbarten Rückkehr im August 2021 wieder persönlich gegenüberzutreten. 

Doch die Vorsitzende unterbricht oft, lässt kaum ausführliche Schilderungen zu. „Wenn die Kinder Sie hätten sehen wollen. Ich verstehe“, kommentiert sie nüchtern. Auf die Frage, ob sie eine Rückholung notfalls körperlich erzwungen hätte, antwortet Block: „Ich hätte niemals Gewalt angewendet. Aber wenn Astrid sie festgehalten hätte, hätte ich die Kinder aus ihren Händen befreit.“ Astrid – die Lebensgefährtin des Ex-Mannes. Ihr sei geraten worden, dass eine solche Situation mit einem „nach Hause bringen eines Kindes am Abend vom Spielplatz vergleichbar“ sei. 

Block betont mehrfach, dass alle in Betracht gezogenen Optionen legal und gewaltfrei hätten ablaufen müssen. Es habe sich lediglich um hypothetische Überlegungen gehandelt, die nie umgesetzt wurden. Die Vorsitzende verweist dann auf die Aussage einer der von Block konsultierten Privatdetektive, der diese Pläne nicht für legal hielt. Block entgegnet, die Rechtmäßigkeit wäre durch ständige Rücksprache mit deutschen und dänischen Familienrechtsanwältinnen sichergestellt gewesen. Zudem sei vorgesehen gewesen, dass sie selbst bei jeder Maßnahme anwesend sei. Dies sei ihr auch von Kinderpsychologen so geraten worden. Damals habe sie neben dem Sorgerecht auch das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht besessen. Unter diesen Voraussetzungen, so Block unter Berufung auf ihre Anwältinnen und einen dänischen Polizeichef, sei eine Rückholung rechtlich zulässig gewesen. Die Vorsitzende reagiert knapp: „Ach, das wurde Ihnen so geraten?“ Und fragt weiter: “Wozu bedurfte es dann der Heranziehung der dänischen Polizei, wenn die Rückholung im Rahmen des Legalen gewesen wäre?” Stille. 

„Ich habe mich gefragt, ob meine Kinder noch leben“

Im Frühjahr 2022 habe ihr der mitangeklagte Anwalt der Familie geraten, einen neuen Versuch zur Rückholung der Kinder zu unternehmen. „Ich habe mich gefragt, ob meine Kinder noch leben“, sagt sie mit brüchiger Stimme – bezogen auf den völligen Kontaktabbruch seit dem Ausbleiben ihrer Rückkehr. Auch unkonventionelle Ideen seien diskutiert worden: eine Hubschrauberbefreiung, eine Sicherheitsmitarbeiterin, die sich als die neue Partnerin des Ex-Mannes Astrid tarnt, oder eine Lehrerin, die sich in die Schule einschleust und an der Rückholung im Rahmen eines Ausflugs hilft. „Im Nachhinein so verrückt – ich mag es kaum sagen.“, so Block.

Besonders bewegt reagiert Block, als die Vorsitzende auf einen angeblichen Alarmknopf zu sprechen kommt, den ihre Tochter von der Polizei erhalten haben soll. „Mein Ex-Mann hat die Polizei dazu gebracht, meiner Tochter Klara einen Alarmknopf, um den Hals zu hängen.“ Die Richterin erwidert trocken: „Können Sie sich vorstellen, dass sie ihn getragen hat, weil sie nicht von Ihnen mitgenommen werden wollte?“ Block unter Tränen: Sie habe sich erst ein halbes Jahr vor der Entführung die Frage gestellt, ob ihre Kinder noch freiwillig zu ihr zurückkehren würden. „Weil ich gelernt habe, was Entfremdung mit Kindern machen kann.“

Block berichtet auch von dem gleichzeitigen Versuch, mit ihrem Ex-Mann eine einvernehmliche Lösung zu finden. Auf Nachfrage der Vorsitzenden erklärt sie, sie habe mögliche Szenarien formuliert und Bedingungen gesammelt, unter denen eine Verhandlungslösung denkbar gewesen wäre. In einer E-Mail habe sie allerdings auch geschrieben: „Ich bin kein großer Fan von Kompromissen.“

Die Rolle von „Olga“

Die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt, picture alliance/dpa/dpa-POOL | Marcus Brandt Später wendet sich die Vorsitzende Richterin Hildebrandt einem weiteren Namen zu: Olga. 2023 knüpft Block geschäftliche Kontakte zu einer israelischen Cyberfirma, welche die Cybersicherheit des im Besitz der Block-Gruppe befindlichen Grand Elysée Hotels betreute – und zu einer Mitarbeiterin, zu der sie bald ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt. Diese „Olga“ wird in Blocks „permanentem Ausnahmezustand“ zur emotionalen Stütze. Am Neujahrstag 2024 meldet sich Olga mit einem „Geschenk“: Block solle sofort nach Stuttgart fahren und niemandem davon erzählen. Block fährt los – doch schon in Karlsruhe wird sie von Olga abgefangen und auf einen abgelegenen Bauernhof gebracht. Dort, unter düsteren Umständen, sieht sie ihre beiden jüngsten Kinder wieder. Auf die Frage nach dem „Warum“ antwortet Olga nur: „Mama.“ Gemeint sei Blocks Mutter, die im Juli 2023 verstorben ist. Kontoauszüge belegen ungewöhnliche Barabhebungen von 120.000 €, doch Block betont, sie habe ihre Mutter nie als Auftraggeberin benannt. 

Im Rückblick räumt Block ein, sie habe die Kontrolle über das israelische Unternehmen, das im Grand Elysée ein- und ausging, verloren. „Olga hat im Grand Elysée geschaltet und gewaltet, wie sie wollte“, sagt Block. Dies sei ihr während ihrer Verzweiflung gar nicht aufgefallen. Sie war in dieser Zeit zu stark von Olgas emotionalem Beistand abhängig gewesen. Olga habe völlig eigenständig gehandelt – auch in Bezug auf die Entführung der Kinder? Diese Frage bleibt im Saal spürbar offen. 

Die Richterin fragt, ob Block wisse, was ihre Mutter mit einer Bargeldabhebung von 120.000 € geplant habe. Block verneint: „Das ist, was ich weiß. Ich weiß aber auch, dass meine Mutter eine so katastrophale Aktion niemals in Auftrag gegeben hätte.“ Es folgen mehrere hypothetische Fragen – auch zu dem Moment, als sie Menschen auf dem Bauernhof am Neujahrstag 2024 mit Strumpfmasken gesehen habe. „Welchen Eindruck hatten Sie? Warum haben Sie nicht die Polizei gerufen?“ Block antwortet: „Ich hatte Hoffnung, nach über zwei Jahren meine Kinder wiederzusehen. Außerdem wusste die Polizei ja kurze Zeit später Bescheid.“ Sie weint bitterlich. 

Damit schließt die Vorsitzende den Sitzungstag. Den nächsten Sitzungstag am Dienstag, den 19. August 2025 wird die Kammer nutzen, um die Befragung Blocks abzuschließen. 

Streit um prozessuale Fragen

Der Verhandlungstag begann mit einem heftigen Schlagabtausch zwischen Verteidigung und Vorsitzender Richterin. Auslöser ist eine Frage der Richterin zu einem Eintrag in Blocks elektronisch geführtem Tagebuch – einem Dokument, auf das Block sich in ihrer Einlassung selbst bezogen hatte.

Verteidiger Ingo Bott beanstandete, das Tagebuch sei bislang nicht gemäß § 94 StPO beschlagnahmt, sondern lediglich nach § 110 StPO als elektronisches Speichermedium sichergestellt worden. Laut Beschlüssen des Landgerichts Hamburg vom 10. Juli 2024 und 11. Juni 2025 dürfe ein solches IT-Asservat vor einer richterlich angeordneten Beschlagnahme noch nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden. Ein derartiger Ermittlungsfehler dürfe nicht zum Nachteil seiner Mandantin übergangen werden – selbst, wenn dies bedeute, dass Block zu den Vorhalten nicht Stellung nehmen könne. 

Die Verteidiger der übrigen sechs Angeklagten schlossen sich dem Widerspruch von Bott an. Es kommt zu einem scharfen Wortgefecht. Der Vertreter des Nebenklägers, des Ex-Manns von Block, äußerte ebenfalls rechtliche Bedenken. Zugleich stellte er infrage, ob die Aufzeichnungen überhaupt als Tagebuch im rechtlichen Sinn gelten, da sie weder regelmäßig geführt noch eindeutig ihrer Intimsphäre zuzuordnen seien.

Die Kammer unterbrach die Sitzung für eine Beratung – und verzichtete zunächst auf die Klärung dieser prozessualen Frage. Bei weiteren Vorhalten zu Tagebucheinträgen oder Notizen beruft sich Block auf Anraten ihrer Verteidigung konsequent auf ihr Schweigerecht. 

Der Strafprozess hat am 11. Juli 2025 gegen die insgesamt sieben Angeklagten begonnen, darunter auch der ehemalige Sport-Moderator und ihr Lebensgefährte Gerhard Delling. Block soll laut der Staatsanwaltschaft die Entführung ihrer Kinder in der Silvesternacht 2023/2024 beauftragt haben, der Vorwurf lautet auf schwere Kindesentziehung.

Zitiervorschlag

Prozess wegen Kindesentführung:

. In: Legal Tribune Online,
15.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57922 (abgerufen am:
16.08.2025
)

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