Ein Anwohner verhinderte die geplante Umbenennung der Berliner Mohrenstraße in allerletzter Minute per Eilantrag beim VG Berlin. Zunächst müsse über anhängige Klagen entschieden werden – auch wenn deren Schicksal längst geklärt ist. 

Die für Samstag geplante feierliche Umbenennung der Berliner Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße kann vorerst nicht stattfinden. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin gab dem Eilantrag eines Anwohners statt, der sich gegen den sofortigen Vollzug der Umbenennung gewehrt hatte (Beschl. v. 21.08.2025, Az. 1 L 682/25). Zur Begründung verwies das Gericht auf eine seit längerem anhängige Klage des Mannes gegen die Umbenennung selbst. Bis das VG über diese entschieden hat, ist die Straße unter ihrem alten Namen zu führen. Das könnte auch für weitere noch anhängige Klageverfahren gelten. Der Umbenennungstermin rückt damit ins Ungewisse.

Der Bezirk Mitte und mehrere Initiativen wollen die Mohrenstraße schon seit Jahren umbenennen, weil sie den Namen wegen des Begriffs „Mohr“ für problematisch oder rassistisch halten. Der geplante neue Name geht auf den afrikanischstämmigen Gelehrten Anton Wilhelm Amo zurück, der im 18. Jahrhundert in Berlin wirkte. Er gilt als erster bekannter schwarzer Philosoph und Jurist an deutschen Universitäten. Bereits am 4. Mai 2021 wurde nach einem Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Berlin-Mitte eine sogenannte Allgemeinverfügung zur Umbenennung bekannt gemacht.

Mehrere Anwohner klagten dagegen. Im Juli 2023 allerdings hat das VG Berlin bereits eine der Klagen abgewiesen. Die Entscheidung ist im Juli 2025 rechtskräftig geworden, nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Berufung verworfen hat. Allerdings sind noch einige weitere Klagen beim VG anhängig, die das Gericht vorübergehend ruhend gestellt hat. Darunter ist auch die Klage des Anwohners, der nun erfolgreich den für Samstag geplanten Umbenennungstermin zum Platzen brachte. Erste Straßenschilder mit Amos Namen hängen bereits an einigen Ecken, selbst am Freitag brachten Handwerker weitere an.

Sofortige Vollziehung an symbolträchtigem Tag

Den Termin hatte die Bezirksverwaltung nicht zufällig gewählt. Samstag ist der Internationale Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung. An diesem symbolträchtigen Tag sollten die neuen Straßenschilder feierlich enthüllt werden. 

Zu diesem Zweck hatte das Bezirksamt am 18. Juli die sofortige Vollziehung der Allgemeinverfügung angeordnet. Das war notwendig, weil nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Klagen gegen Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung entfalten. Die Straßenumbenennung fällt unter keine gesetzlich geregelte Ausnahme. Die sofortige Vollziehbarkeit musste also explizit nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet werden. Dazu bedarf es eines besonderen öffentlichen Interesses – und das konnte das VG hier nicht erkennen.

Das Bezirksamt habe nicht dargelegt, warum die Umbenennung so dringlich sei, dass sie vor Abschluss des Klageverfahrens vollzogen werden müsse, heißt es in der Mitteilung des VG vom Freitag. Weder begründe die symbolische Bedeutung des Datums eine solche Dringlichkeit, zumal auch andere Gedenktage für eine feierliche Umbenennung in Betracht kämen. Noch könne das Bezirksamt die Dringlichkeit auf die vielfältigen Vorbereitungen für die geplante Umbenennung stützen. Schließlich habe das Bezirksamt sie sehenden Auges selbst veranlasst, so das VG.

Rechtliche Ausgangslage

Die Entscheidung des VG erging laut Mitteilung des Gerichts, obwohl die Rechtmäßigkeit der Umbenennung an sich gerichtlich geklärt sei. Dieselbe Kammer des VG wies 2023 eine Anwohnerklage gegen die Umbenennung ab, weil den Bezirken bei Straßenumbenennungen ein weites Ermessen zustehe und die BVV Mitte nicht willkürlich gehandelt habe. Auch formelle Beteiligungsrechte stünden den Anwohnern nicht zu und Ausführungsvorschriften verliehen keine subjektiven Rechte. Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigte diese Entscheidung im Juli dieses Jahres.  

Nach Angaben des VG auf LTO-Anfrage waren auch die übrigen Klagen zeitgleich mündlich verhandelt worden. Auf Vorschlag der für alle Verfahren zuständigen 1. Kammer hatten sich die Beteiligten aber darauf verständigt, nur ein Verfahren als eine Art Musterverfahren durchzuführen, während die übrigen Verfahren nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 251 Zivilprozessordnung ruhend gestellt werden. Dadurch sollte die Belastung für das Gericht sowie das Kostenrisiko für die Kläger reduziert werden. Nach Abschluss des entschiedenen Verfahrens hätten die übrigen Kläger die Möglichkeit, noch vor einer Entscheidung eine Klagerücknahme zu erwägen. 

Trotz des Scheiterns der „Musterklage“ sind neben der Klage des Anwohners jedoch mehrere Verfahren weiter anhängig. Ihre Erfolgsaussichten seien allerdings „in hohem Maße unwahrscheinlich“, stellten die Richter der Kammer in Bezug auf die Klage des Anwohners fest. Dennoch kann die Mohrenstraße nach dem Beschluss des VG vom Donnerstag nicht offiziell umbenannt werden, bis diese Klageverfahren formell abgeschlossen sind. Wann das Gericht hierüber entscheiden wird, ist noch offen. Nach Angaben der Pressestelle ist die Stelle des Kammervorsitzenden aktuell vakant, was das Verfahren weiter verzögern könnte.  

Gegen den aktuellen Beschluss des VG Berlin hat das Land Berlin inzwischen Beschwerde zum OVG eingelegt. Ob eine Entscheidung noch vor der geplanten Enthüllung der Straßenschilder am Samstag ergeht, ist unklar. 

pk/mk/LTO-Redaktion

mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Trotz aussichtsloser Anwohnerklage:

. In: Legal Tribune Online,
22.08.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/57972 (abgerufen am:
22.08.2025
)

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