Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss ein ausgewogenes und vielfältiges Programm bieten, entschied das BVerwG. Sonst kann der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig sein. Nun muss sich der BayVGH erneut mit dem Fall befassen.

Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein ausreichend ausgewogenes und vielfältiges Programm bietet, kann der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig sein. So urteilte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch (Urt. v. 15.10.2025, Az. 6 C 5.24).

Es ist eine überraschende Entscheidung, denn bisher hatten sich die Verwaltungsgerichte aus der inhaltlichen Bewertung des Programms herausgehalten – und stattdessen auf Gremien wie die Rundfunkräte verwiesen, die den Rundfunk kontrollieren. Nun aber müssen die Verwaltungsgerichte überprüfen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag verfehlen und sich an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wenden, sollte das der Fall sein.

Das BVerwG öffnet damit in einer politisch aufgeheizten Debatte die Tür für die Klärung vor den Gerichten. Denn in dem Verfahren geht es vordergründig um die Pflicht zur Beitragszahlung, die ohnehin nicht beliebt ist. Nun aber enger als bisher mit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verknüpft wird. Und der ist in den letzten Jahren zum Feindbild rechter Bewegungen geworden.

Programmbeschwerden reichen nicht aus

Die Bürgerinitiative Leuchtturm ARD hatte den Fall vor das BVerwG gebracht und verbucht die Entscheidung als Erfolg, so Rechtsanwalt Dr. Harald von Herget nach der Verkündung am Mittwochnachmittag in Leipzig. Es werde aber „eine Herausforderung“, den Nachweis zu erbringen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine ausreichende Meinungsvielfalt biete. Klar sei, dass es nicht ausreiche, einzelne Kritikpunkte zu sammeln, sondern dass das Gesamtprogramm in den Blick genommen werden müsse.

Von Herget ist Vorstandsmitglied des Vereins „Bund der Rundfunkbeitragszahler“, der zusammen mit der Leuchtturm-Bürgerinitiative und anderen Bewegungen auf grundsätzliche Änderungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinwirken will. Das Bündnis fordert mehr Selbstverwaltung, Unabhängigkeit und Staatsferne. Zugleich ist aber auch klar, an welchen Meinungen sie sich stören: Die „einseitige Darstellung der Migrations- und Flüchtlingsfrage, die unterschätzte Bedrohung der westlichen Gesellschaftsordnung durch den militanten Islam, eine jahrzehntelange fragwürdige Berichterstattung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie“ oder auch „die aktuellen Umerziehungsversuche in Richtung Gendersprache“, heißt es in einer Erklärung des Bündnisses.

Die Klage richtete sich gegen den Bayerischen Rundfunk. Die Klägerin, ein Mitglied der Bürgerinitiative, argumentierte, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk fehle es an Meinungsvielfalt. Sie sehe deshalb keinen „individuellen Vorteil“ von der Möglichkeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nutzen und wolle den Beitrag nicht zahlen. Damit war sie zunächst in den beiden Vorinstanzen gescheitert: Das Verwaltungsgericht München (Urt. v. 21.09.2022, Az. M 6 K 22.3507) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, Urt. v. 17.07.23, Az. 7 BV 22.2642) hatten sich auf den Standpunkt gestellt, der individuelle Vorteil liege allein darin, dass der Rundfunk überhaupt genutzt werden könne – darauf ob er seinen Auftrag erfülle, komme es nicht an. Sie verwiesen auf andere Möglichkeiten der Programmkontrolle, etwa die Programmbeschwerden bei den Rundfunkräten.

Nun stellte der 6. BVerwG-Senat klar, dass nicht nur diese Gremien, sondern die Verwaltungsgerichte prüfen müssen, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag erfüllt. Zu diesem gehöre insbesondere, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit im Programm abzubilden. Werde dieser Auftrag evident und regelmäßig über einen längeren Zeitraum nicht erfüllt, könne auch die Beitragspflicht entfallen.

Die Leiterin der Rechtsabteilung des Bayerischen Rundfunks, Dr. Sabine Mader, sagte nach der Urteilsverkündung: Das BVerwG habe klar gestellt, dass die Beitragspflicht nicht davon abhänge, ob einzelne Beiträge missfallen. „Um Perspektivenvielfalt und journalistische Ausgewogenheit ringen wir täglich“, so Mader weiter.

Beiträge müssen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein

Die entscheidende Frage war, ob das BVerwG die Beitragspflicht damit verknüpfen würde, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen „Funktionsauftrag“ erfüllt. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung des § 2 Abs. 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) sehe so eine Verknüpfung nicht vor, so der 6. Senat. Sie ergebe sich auch nicht aus dem Medienstaatsvertrag. Die Klägerin könne sich nicht auf ein subjektiv-öffentliches Recht berufen – etwa aus der Informationsfreiheit oder der Rundfunkfreiheit –, um den Beitrag nicht zu zahlen.

Aber: Der BayVGH habe die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Beitragspflicht – wie sie sich aus der Rechtsprechung des BVerfG ergebe – nicht ausreichend berücksichtigt, erklärte der Vorsitzende des 6. Senats Ingo Kraft bei der mündlichen Urteilsbegründung. Das BVerfG sehe den individuellen Vorteil gerade darin, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk genutzt werden könne, der seinen Auftrag erfüllt – also Meinungsvielfalt sichert und ein Gegengewicht zum privaten Rundfunk bildet.

Nun muss also der BayVGH klären, ob es „hinreichende Anhaltspunkte für evidente und regelmäßige Defizite“ im Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt. Sollten sich solche Defizite finden, müssten die bayerischen Richter die Rundfunkbeitragspflicht im Wege einer konkreten Normenkontrolle dem BVerfG zur Überprüfung vorlegen.

Senat hat Zweifel an Erfolg der Kläger

Zugleich betonte das BVerwG, dass der Rundfunkbeitrag nur dann nicht mehr gerechtfertigt sei, wenn das Gesamtprogramm der Rundfunkanstalten „die Anforderungen an die gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“. Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin erscheine es „überaus zweifelhaft“, dass sie tatsächlich eine Vorlage an das BVerfG erreichen könne, so Kraft.

Der 6. Senat gab dem BayVGH noch ein paar Hinweise mit: Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2018 die sachliche Rechtfertigung nicht in Zweifel gezogen, habe also zum damaligen Zeitpunkt kein Problem in der Programmqualität gesehen. Es sei Aufgabe des BayVGH aufzuklären, ob sich daran etwas geändert habe. Dabei sei eine längere Zeitspanne von mindestens zwei Jahren und das Gesamtprogramm in den Blick zu nehmen. Vielleicht auch, um die Verwaltungsgerichte davor zu bewahren, dass sie die Ausgewogenheit des Rundfunks alle paar Monate neu bewerten müssen.

Anhaltspunkte könnten sich insbesondere aus wissenschaftlichen Gutachten ergeben, so der Senat weiter. Die Beweisaufnahme kann also durchaus spannend werden. Es wird nicht ausreichen, dass einzelne Äußerungen angeprangert werden. Stattdessen müssen umfangreichere Studien und Gutachten zeigen, wie vielfältig der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist.

Ob mit einer Entscheidung des BayVGH das letzte Wort gesprochen ist – falls es wie zu erwarten nicht nach Karlsruhe geht – bleibt abzuwarten. Denn nun, da der Weg zu den Gerichten frei ist, werden sich wohl in regelmäßigen Abständen Klägerinnen finden, die mit dem Programm nicht einverstanden sind. Zumindest alle zwei Jahre. 

Hinweis: Dieser Artikel wurde am Tag der Veröffentlichung laufend aktualisiert; letzte Version 19:35 Uhr.

Zitiervorschlag

BVerwG zu Rundfunkbeitrag:

. In: Legal Tribune Online,
15.10.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58390 (abgerufen am:
15.10.2025
)

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