Im Januar 2014 wurden – nach einem anonymen Hinweis – drei Lkw auf einer Autobahn im Süden der Türkei gestoppt. An Bord: Medikamentenkisten, darunter versteckt Munition, etwa 30.000 schwere Maschinengewehrpatronen. Die Lieferung war im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Richtung Syrien unterwegs, berichtet der türkische Journalist Can Dündar in seinem Buch. Sie sollte an den selbst ernannten „Islamischen Staat“ übergeben werden. Nach Interventionen von oberster politischer Stelle konnten die Lkw weiterfahren.
Juristische Verfolgung und ein Attentat
Im Mai 2015 veröffentlichte die Cumhuriyet einen Bericht über den Vorfall, gestützt auch auf neue Dokumente. Can Dündar war damals Chefredakteur der renommierten liberalen türkischen Zeitung. Seine Kollegen und er entschieden gemeinsam, über den Vorfall zu berichten. Die Folgen: Eine massive juristische Kampagne gegen das Team der Cumhuriyet. Es wurde umgehend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, Can Dündar wurde unter anderem der Spionage und des Verrats von Staatsgeheimnissen bezichtigt. Der Staatspräsident persönlich zeigte ihn an, er kam zeitweise in Untersuchungshaft und wurde angeklagt.
Im Mai 2016 wurde zudem – auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung – ein Mordanschlag auf Can Dündar verübt. Er überlebte und erfuhr später, dass ein Auftragskiller auf ihn angesetzt war. Dündars Buch „Ich traf meinen Mörder“, das die Geschichte der Waffenlieferung mit der persönlichen verbindet, beginnt dort. 2020 erhielt der Journalist einen Brief aus einem argentinischen Gefängnis. „Man gab mir den Auftrag, Sie zu töten“, schrieb der Verfasser. Er sei bereit, alles zu sagen, was er wisse.
Wachsende Verflechtung von Politik und Mafia
„Der Mann war Mitglied einer Bande, die versucht hat, mich zu töten“, erzählt Can Dündar im Gespräch über sein Buch auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat auf der Frankfurter Buchmesse. „Er hat sich geweigert, den Auftrag auszuführen und musste dann fliehen. Er reiste durch verschiedene Länder und wurde vom türkischen Geheimdienst verfolgt. In Buenos Aires wurde er von Interpol verhaftet. Die Türkei verlangte seine Auslieferung.“
Der Informant – einer von mehreren, die im Buch zu Wort kommen – bestätigt die Informationen, die der Cumhuriyet vorlagen. Can Dündar führte ausführliche Interviews und dokumentiert sie in seinem Buch. Es entsteht das Bild einer wachsenden Verflechtung von türkischem Staat und organisiertem Verbrechen. „Es gibt Verbindungen zwischen mafiösen Gruppen und der Regierung. Über den Geheimdienst nutzt die Regierung die Mafia, um Gegner anzugreifen. Gleichzeig gibt es aufgrund der Verbindung mit der Regierung Vorteile für die Gruppen.“