Mit einer Ramme, aber ohne richterliche Anordnung ergriff die Polizei einen Ausländer in seinem Zimmer in einer Asylbewerberunterkunft. Das war als Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung verfassungswidrig, entschied das BVerfG.

Das Ergreifen eines Ausländers in seinem Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft ist eine Durchsuchung. Als solche erfordert sie eine vorherige richterliche Anordnung. Da diese im konkreten Fall fehlte, verletzten die entsprechende Polizeimaßnahme und das dazu ergangene Urteil einen Mann in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Grundgesetz (GG). Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden (Beschl. v. 30.09.2025, Az. 2 BvR 460/25).

Mehrfach hatten Polizeibeamt:innen im Jahr 2019 an die Tür des Zimmers in einem Berliner Übergangswohnheim geklopft, in dem der Mann aus Guinea mit einem zweiten Ausländer zu diesem Zeitpunkt lebte. Als niemand öffnete, verschafften sich die Beamt:innen mit einer Ramme zutritt, einen Durchsuchungsbeschluss hatten sie nicht.

Der Mann klagte auf Feststellung, dass sein Zimmer nicht hätte betreten und durchsucht werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht (OGV) Berlin-Brandenburg wies die Klage umfassend ab (Urt. v. 07.02.2024, Az. OVG 3 B 17/22). Es argumentierte, die Maßnahme sei schon keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG gewesen. Solange keine Suchhandlung stattfinde, sei unerheblich, ob von einem ex-ante-Standpunkt – also mit dem Wissen von damals –­ davon auszugehen war, dass derartige Handlungen zum Auffinden der Person erforderlich sein könnten. So entschied es in der Folge auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Beschl. v. 08.01.2025, Az. 1 B 20.24), da eine Suche stets auch ein Aufdecken und Erforschen erfordere, sonst könne zwischen Betreten und Durchsuchen nicht mehr unterschieden werden.

Das BVerfG wertete die Situation nun grundlegend anders und verwies das Verfahren zurück ans OVG. 

Ex-ante-Bewertung führt zu zufälligen Ergebnissen

Die 2. Kammer des Zweiten Senats beurteilte die Ergreifung des Mannes sehr wohl als Durchsuchung, für die es eine richterliche Durchsuchungsanordnung gebraucht hätte. Da eine solche fehlte, hätten die Maßnahme und das OVG-Urteil den Mann in seinem Grundrecht aus Art. 13 GG verletzt.

Das BVerfG formuliert sehr deutlich: Nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben liege grundsätzlich eine Durchsuchung vor, wenn der Betroffene zum Zwecke der Abschiebung in seinem Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft aufgesucht wird. Das gelte, solange vor Beginn der Maßnahme keine sichere Kenntnis über den konkreten Aufenthaltsort der zu ergreifenden Person besteht. Ob eine Suchhandlung nötig wird, könnten bei einer Abschiebung weder Polizei noch die zuständige Ausländerbehörde mit der erforderlichen Sicherheit prognostizieren. Ob der Ausländer dann erst noch gesucht werden muss oder sofort identifizierbar ist, sei dabei nicht erheblich.

Das Grundrecht aus Art. 13 GG stehe unter einem Richtervorbehalt, um präventiv der Gefahr einer Grundrechtsverletzung zu begegnen, und nicht deswegen, um auf eine bereits eingetretene Verletzung zu reagieren. Daher sei bei einer Abschiebung aus einer Gemeinschaftsunterkunft vor der Maßnahme die richterliche Anordnung einzuholen, Art. 13 Abs. 2 GG. 

Der Ansatz des BVerwG hingegen, in der Rückschau auf den Verlauf der Maßnahme abzustellen, sei nicht tragfähig. Der führe zu zufälligen Ergebnissen, was mit dem Schutzzweck des Richtervorbehalts unvereinbar sei.

GGF und Pro Asyl unterstützten das Verfahren

Der Beschwerdeführer wurde in dem Verfahren auch schon in den Instanzen von dem Berliner Anwalt Christoph Tometten vertreten. Unterstützt haben das Verfahren die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und Pro Asyl. 

„Ohne richterlichen Beschluss darf die Polizei nicht einfach Menschen aus ihren Zimmern abholen“, so Tometten gegenüber LTO. „Vor einer Abschiebung aus dem Heim oder der Wohnung müssen die Behörden künftig stets einen richterlichen Beschluss einholen, da sie nicht davon ausgehen können, dass sie die gesuchte Person ohne weiteres antreffen und identifizieren. Der Schutz der Wohnung gilt auch für Geflüchtete.“

Mit Blick auf die im Jahr 2019 eingeführte Regelung in § 58 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufentG), wonach die Polizei zur Abschiebung ohne Durchsuchungsbeschluss ein Zimmer betreten darf, ergänzt der Anwalt: „Karlsruhe stellt nun klar, dass ein Durchsuchungsbeschluss erforderlich ist, solange die Polizei vor Beginn der Maßnahme keine sichere Kenntnis darüber hat, dass und wo sich die Person konkret im Raum befindet. Für die 2019 eingeführte Regelung in § 58 Abs. 5 AufenthG bleibt damit nahezu kein Anwendungsbereich mehr.“

Sarah Lincoln, Rechtsanwältin und Juristin bei der GFF, teilte mit: „Abschiebungen sind kein Freibrief und Schlafzimmer von Geflüchteten keine rechtsfreie Zone, sondern als einziger und elementarer Rückzugsraum grundrechtlich besonders geschützt. Wenn die Polizei hier eindringen will, braucht sie einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Was selbstverständlich sein müsste, hat Karlsruhe heute klargestellt und damit der aktuellen Abschiebepraxis der Polizei eine Absage erteilt.“

Die GFF hat noch eine weitere Verfassungsbeschwerde zu Durchsuchungen in Gemeinschaftsunterkünften unterstützt, dieser Fall betrifft eine Abschiebung aus einer Unterkunft in Ellwangen, die bereits vor Einführung des § 58 Abs. 5 AufenthG durchgeführt wurde. Die GFF teilte auf LTO-Anfrage mit, dass sich der aktuelle Beschluss des BVerfG auf alle Fälle anwenden lässt, in denen die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss das Schlafzimmer betritt. Diese Ellwangen-Beschwerde aber hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Die Gründe sind nicht bekannt. 

Zitiervorschlag

Bundesverfassungsgericht:

. In: Legal Tribune Online,
20.11.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58674 (abgerufen am:
20.11.2025
)

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