Klare Fragen, knappe Antworten: Am 26. Prozesstag gerät Cyber Cupula-Chef Barkay unter Druck. Es geht um kostenlose Unterbringung, Gratisbüro, Chats und Kameras in Dänemark – und die Grenze zwischen Informationsbeschaffung und Entführung.
Der Saal ist an diesem 26. Verhandlungstag spürbar leerer, die Befragung dafür umso konzentrierter. Die Vorsitzende Richterin Isabel Hildebrandt führt die Vernehmung des israelischen Zeugen David Barkay mit klaren Fragen fort, auf die meist knappe Antworten folgen. Barkay ist Chef der Sicherheitsfirma Cyber Cupula, die die Entführung der jüngsten Block-Kinder in der Silvesternacht 2023/24 aus Dänemark durchgeführt hat.
Was sich im Laufe des Tages herausbildet, gleicht einem Verhör. Die Vorsitzende fragt präzise, oft nachhakend, Barkay antwortet kontrolliert, ausweichend, gelegentlich sichtbar bemüht, Verantwortung an andere weiterzureichen – an den mitangeklagten Familienanwalt der Familie Block oder an seine Mitarbeiterin, die unter dem Aliasnamen „Olga“ im Jahr 2023 zu einer engen Vertrauten Christina Blocks wurde. Auffällig ist auch der Tonfall: Mehrfach spricht Barkay die Vorsitzende an diesem dritten Vernehmungstag mit „your honor“ an – „Euer Ehren“. Eine Förmlichkeit, die bislang keine Rolle spielte.
Inhaltlich wirkt der Verhandlungstag streckenweise ermüdend. Weniger neue Erkenntnisse, stattdessen kleinteilige Erläuterungen von Begriffen, Abkürzungen und Zeichnungen aus Barkays Notizbuch. Und doch offenbaren gerade diese Details Bruchstellen seiner Darstellung.
Das Grand Elysée und die Frage nach der Unterbringung
Zu Beginn steht erneut die Unterbringung des Cyber Cupula-Teams in Hamburg im Mittelpunkt. Barkay erinnert sich daran, dass ihm der mitangeklagte Anwalt der Familie Block die Stadt und verschiedene Immobilien gezeigt habe. Am Ende habe dieser jedoch erklärt, es sei „am besten“, im Hotel Grand Elysée zu wohnen, welches der Block-Gruppe zugehörig ist.
Warum gerade dort? In einem “normalen Gebäude” würden die Leute Fragen stellen, so der Familienanwalt zu Barkay. Die Vorsitzende fragt nach: Warum sollten sie das tun und warum wäre das problematisch? „Gute Frage“, antwortet der Zeuge. Dies müsse man den Anwalt der Familie fragen. Eine Erklärung bleibt Barkay schuldig.
Auch die Kostenfrage bleibt diffus. Für Unterkunft und Verpflegung habe die Familie Block aufkommen sollen, sagt Barkay. Besprochen worden sei das allerdings nicht mit Christina Block selbst, sondern ausschließlich mit dem Anwalt der Familie. Dem Vorhalt aus Blocks Einlassung, man habe sie „wie eine Weihnachtsgans ausgenommen“ und „wie eine Milchkuh gemolken“, setzt Barkay entgegen: „Es wurde ganz klar kommuniziert, dass wir nicht für Unterkunft oder Verpflichtung aufkommen müssen.“ Rechnungen habe es nicht gegeben, lediglich „von Zeit zu Zeit Kostenaufstellungen zur Unterkunft, aber nicht in Gestalt einer Rechnung“. Der Zusammenhang blieb unklar. Die Frage, ob er und seine Mitarbeiter umsonst im Hotel wohnen konnten, hat seit dem vorletzten Prozesstag eine neue Relevanz. Denn u.a. Christina Block wird seitdem auch Untreue zu Lasten der Hotelgesellschaft, vorgeworfen.
Dass in einer Chatgruppe eine Liste von Cyber-Cupula-Mitarbeitern kursierte, die im Grand Elysée untergebracht werden sollten, erklärt Barkay organisatorisch: „“Olga“ war verantwortlich, Christina im Voraus Bescheid zu geben, wer kommen wird, um sicherzugehen, dass die Zimmer verfügbar sein würden.“
Auf die Frage danach, warum bei der Buchung der Hotelzimmer Aliasnamen verwendet wurden, wiederholt Barkay mangelnde Kenntnis. Grundsätzlich, so seine Darstellung, checke er stets mit Pass und echter Identität ein. Gleichzeitig räumt er ein, dass im Grand Elysée „alles vorbereitet“ gewesen sei. „Die Namen wurden nicht von uns ausgewählt“, sagt Barkay.
Ein Büro ohne Miete
Besonders plastisch wird der Tag, als es um die Büroräume, das „Hauptquartier“, in Hamburg geht. Der mitangeklagte Familienanwalt habe Cyber Cupula die obere Etage seines Bürogebäudes zur Verfügung gestellt. Barkay bestätigt, dass sein Team über elektronische Schlüssel verfügte – mit selbstständigem Zugang zum Gebäude und auch zu den Kanzleiräumen des Anwalts. Den Zugang habe er über einen Schlüssel erhalten, der im Büro des Familienanwalts in einer Box deponiert gewesen sei. Für das Büro selbst habe er ebenfalls Schlüssel gehabt; auch die Sekretärin sei darüber im Bilde gewesen.
Eine Miete sei nicht gezahlt worden. „Weder für die Räume, noch für den Kaffee oder sonst irgendwas.“ Die internen Besprechungen seines Teams hätten in diesen Büroräumen stattgefunden. Treffen mit dem Anwalt dagegen in dessen Kanzlei.
Die Gruppe „BKH“ und das „oberste Ziel“
Ein zentrales Thema bleibt die Signal-Gruppe mit dem Titel „BKH“ („Bring Kids Home“). Den Namen, so Barkay, „hat sich ein Mitarbeiter von mir ausgedacht“. Die Aktivität dieser Gruppe beschränkt sich lediglich auf einen Monat. Gegründet worden sei die Gruppe „zu einem sehr frühen Zeitpunkt“, am 9. Februar 2023.
Für den Auftrag seien spezielle SIM-Karten beschafft worden. Die Sorge habe nicht den eigenen Telefonen gegolten, sondern denen von Christina Block und dem mitangeklagten Anwalt. „Telefone sind etwas was uns schaden kann“, erklärt Barkay. Die Karten seien „auf dem freien Markt erworben“, nicht bei einem Mobilfunkanbieter registriert worden. Wie lange sie genutzt worden seien, wisse er nicht.
Die einleitende Nachricht in der Gruppe lautet: „Gruppe dient der sicheren Kommunikation untereinander im Hinblick auf unser oberstes Ziel, die Kinder nach Hause zu bringen.“ Dieses Ziel habe bestanden, sagt Barkay, allerdings zunächst ausschließlich in der Sammlung von Informationen. Weil die Kinder nicht zurückgegeben worden seien, hätten sie „zurückgebracht“ werden müssen.
Auf eine Nachricht von Christina Block mit den Worten: “Im Wissen, dass das Rechtssystem nicht helfen wird, die Kinder herauszubekommen. Ich bin erleichtert, dass Sie jetzt tun, was getan werden muss”, reagiert Barkay mit einem bekannten Muster. Block sei verzweifelt gewesen, „traurig und zerstört“. Für ihn habe das keine operative Bedeutung gehabt. „Zu diesem Zeitpunkt ging es nur darum, Informationen zu sammeln“, betont er. Er sei nicht vertraut mit rechtlichen Verfahren, insbesondere nicht im Zusammenhang mit Kindern.
Rechtliche Gewissheit ohne Rechtsgrundlage
Für Barkay sei das Gesamtbild dennoch klar gewesen: Die Familie habe rechtliche Schritte unternommen, um die Kinder zurückzuholen. Sie seien illegal in Dänemark festgehalten worden. Cyber Cupula habe diese Bemühungen unterstützt, „indem wir Informationen sammeln“. In Gesprächen mit dem Familienanwalt habe er sich nach und nach einen Überblick über den komplexen Sorgerechtsstreit verschafft. Der Kindesvater Stephan Hensel sei ihm dabei stets als der Übeltäter präsentiert worden.
Auf die Frage nach den „Hauptgesichtspunkten“, die für Entscheidungen deutscher und dänischer Gerichte maßgeblich gewesen seien, antwortet Barkay selbstbewusst: „Sorgerecht lag bei Christina. Deshalb mussten die Kinder zurück.“
Der Hintergrund ist, dass Hensel die jüngsten Block-Kinder nach einem Umgangswochenende in Dänemark bei sich behalten hat. Trotz deutscher Gerichtsentscheidungen, die Block das Sorgerecht und alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zusprachen, konnten diese in Dänemark nicht vollstreckt werden. Nach Erwägungsgrund 41 der Brüssel-Ia-Verordnung (EUGVVO), welche unter anderem die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen von Gerichten der Europäischen Union in Zivilsachen betrifft, ist diese nur auf das EU-Mitgliedsland Dänemark nicht anwendbar.
Von Information zu Intervention
Als die Vorsitzende eine weitere Nachricht aus dem „BKH“-Chat vorhält, in der Christina Block Barkay fragt, ob sie Kontakt mit der dänischen Gemeinde aufnehmen solle, wird deutlich, dass Barkay Christina Block auch bei der Kommunikation mit Jugendämtern beraten haben soll. Zunächst will der sich nicht erinnern, dann konfrontiert die Vorsitzende ihn mit eigenen Nachrichten. „Ja, ich kann sehen, dass ich versucht habe, Christina zu helfen, ihre Kinder zurückzubekommen.“ Auf die Frage, ob das noch unter Informationssammlung falle, antwortet er schließlich: „Nein, das ist es nicht.“ – Es habe sich lediglich um einen Gefallen gehandelt. Dies gilt auch für die Nachforschungen, die eine Hamburger Amtsrichterin betroffen haben sollen. Diese hätten sich auf ein einfaches „Googeln“ ihres Namens beschränkt. Abgerechnet habe er dafür nichts.
Bereits ab dem 10. März 2023 erfolgt keine Kommunikation mehr innerhalb der Chat-Gruppe. „Sie wurde nicht weiter benötigt, weil wir physisch als Gruppe hier in Hamburg waren“, so Barkay.
Kameras, Drohnen und „Kämpfer“
Dann richtet sich der Blick zum Haus Hensels in Gravenstein in Dänemark. Barkay soll dort mehrfach gewesen sein und das Haus beobachtet haben – teils aus dem Auto, teils zu Fuß, meist mit „Olga“. Ein Teammitglied habe das Haus zwei- bis dreimal mit einer Drohne observiert, um Bewegungen und Alltag der Kinder zu dokumentieren.
Im Februar wurden GoPro-Kameras installiert, bodennah, verborgen in Rucksäcken, die an verschiedenen Verstecken im Laub vor dem Haus platziert worden sein sollen. Die Konstruktion bestand aus Kamera, Handy und 18 Powerbanks; eine „Kamera-Handy-Powerbank-Anlage“. Diese Überwachung war für vier bis sechs Wochen vorgesehen, tatsächlich war sie wohl nur zwei Wochen aktiv gewesen. Am 5. März 2023 wurde die Anlage entdeckt.
Die Bilder seien nach Hamburg in das „Hauptquartier“ über der Kanzlei und nach Israel übertragen worden. Inzwischen seien sie vollständig gelöscht worden. Gezeigt worden seien Bilder zumindest einmal bei einem Treffen im Hamburger Büro, mit einem israelischen Mittelsmann, „vielleicht“ mit dem Familienanwalt, „vielleicht“ mit Christina Block. Ob es Live-Übertragungen oder Aufzeichnungen waren, könne er nicht mehr sagen.
In seinem Notizbuch finden sich Vermerke zum Einschleusen von „Kämpfern“ (engl. „Fighter“) laut Barkay, ein Begriff aus dem israelischen Sicherheitsjargon für operative Kräfte „auf dem Feld“. Seite um Seite erklärt der Verfasser Barkay Abkürzungen, Skizzen und Planungsdetails. Fünf gescheiterte Versuche habe es im Hinblick auf die Installation gegeben. Gescheitert waren sie wegen Wetter, Mondphasen, Technik oder Timing.
Die Frage nach der Legalität des Vorgehens
Nach der Schilderung des Zeugen sei die dänische Polizei dauerhaft in der Nähe des Hauses gewesen. Die Vorsitzende fragt daraufhin, was hierfür nach Wahrnehmung des Zeugen der Grund gewesen sein könnte. Barkay sagt, er könne nur raten. „Raten brauche ich nicht“, entgegnet die Vorsitzende hörbar ungeduldig.
Schließlich fragt sie nach der rechtlichen Bewertung: Ob Barkay davon ausgegangen sei, es sei legal, Menschen in Dänemark aus der Luft oder von der Straße aus in ihrer Privatsphäre zu beobachten. Seine Antwort: Unter der Annahme, dass die Kinder rechtswidrig entzogen worden seien, habe er das insbesondere auch in Rücksprache mit dem Familienanwalt „aus deutscher Perspektive“ für legal gehalten.
Weiter geht es im Prozess – nach einem Kurztermin zur Anordnung des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 Satz 1 Strafprozessordnung, am Donnerstag 18. Dezember 2025 – im neuen Jahr am Donnerstag, den 08. Januar 2026.
Zitiervorschlag
Vernehmung enthüllt belastende Chats mit Christina Block:
. In: Legal Tribune Online,
16.12.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58877 (abgerufen am:
17.12.2025
)
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